Thomas Mann berichtet in seiner Erzählung „Der Tod in Venedig“ (1911) von der zähen Agonie eines alternden, verwitweten Päderasten in den Kulissen einer an ihrer eigenen Schönheit zugrunde gehenden Stadt. Die Idee der Novelle (die Stadt als Seelenzustand) und ihre morbide Grundstimmung gehen – bis auf das Thomas Mann eigene homo-erotische Motiv – auf einen kurzen Roman zurück, der erstmals 1892 als Fortsetzung in der französischen Tageszeitung Le Figaro erschien und der 1903 ins Deutsche übersetzt wurde (er liegt als Neuübersetzung im Reclam Verlag vor): „Bruges-la-Morte“ oder „Das tote Brügge“ des belgischen Symbolisten Georges Rodenbach. Es war der einzige wirkliche Erfolg dieses Autors.
Kreuzweg der Liebe
Mysterienspiel statt Dekadenz: In Georges Rodenbachs berühmtem Roman „Das tote Brügge“ wird die katholische Stadt selbst zum Protagonisten, die das Böse durch die öffentliche Anwesenheit christlicher Symbole in die Knie zwingt. Von Alexander Pschera