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Gewissheit ist notwendig

Das sagt die Kirche zu Hirntod und Organspende. Von Stefan Rehder
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An der Frage, ob der Hirntod mit dem Tod des Menschen gleichgesetzt werden kann, scheiden sich die Geister. Auch solche, zwischen die in anderen Lebensrechtsfragen wie der Abtreibung, der Euthanasie oder der menschliche Embryonen verbrauchender Forschung kein Blatt Papier mehr passt. Wundern kann das nicht. Selbst kirchliche Stellungnahmen kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen.

So hält etwa der Katechismus der katholischen Kirche unter Nr. 2296 fest: „Organverpflanzung ist sittlich unannehmbar, wenn der Spender oder die für ihn Verantwortlichen nicht in vollem Wissen ihre Zustimmung gegeben haben. Sie entspricht hingegen dem sittlichen Gesetz und kann sogar verdienstvoll sein, wenn die physischen und psychischen Gefahren und Risiken, die der Spender eingeht, dem Nutzen, der beim Empfänger zu erwarten ist, entsprechen. Die Invalidität oder den Tod eines Menschen direkt herbeizuführen, ist selbst dann sittlich unzulässig, wenn es dazu dient, den Tod anderer Menschen hinauszuzögern.“

Unter dem Titel „Hirntod und Organspende“ legte die Glaubenskommission der deutschen Bischöfe am 27. April 2015 eine 30 Seiten umfassende „Orientierungshilfe“ vor. Darin konstatieren die Bischöfe zwar, dass die „Plausibilität des Hirntod-Kriteriums“, durch „eine Vielzahl neuer klinischer Phänomene immer öfter in Zweifel gezogen“ werde und halten fest: „Alle hier einschlägigen Einwände sind gewiss sehr ernst zu nehmen und nötigen dazu, die bisherigen Argumente zu überdenken.“

Weiter heißt es jedoch: „Dennoch gibt es gute Gründe daran festzuhalten, dass der tatsächliche Tod vor einer Organentnahme mit Sicherheit festgestellt werden muss (sog. Dead Donor Rule) und dass hierfür der Hirntod ein zuverlässiges Kriterium ist. Nach dem jetzigen Stand der Wissenschaft stellt das Hirntod-Kriterium im Sinne des Ganzhirntodes– sofern es in der Praxis ordnungsgemäß angewandt wird – das beste und sicherste Kriterium für die Feststellung des Todes eines Menschen dar, so dass potenzielle Organspender zu Recht davon ausgehen können, dass sie zum Zeitpunkt der Organspende wirklich tot und nicht nur sterbend sind.“

Diese Vollmundigkeit verwundert allerdings insofern, als eine Minderheit des Deutschen Ethikrates im selben Jahr, also ebenfalls 2015, zu dem Ergebnis kam: „Die Verknüpfung des irreversiblen Ganzhirnversagens mit dem irreversiblen Ausfall der aktiven Steuerung insbesondere durch die Fähigkeit der Spontanatmung ist ein unzureichender Begründungsansatz. Er begründet die Hirntodkonzeption unter Rückgriff auf genau die beiden Kriterien, die den Zustand des ,Hirntodes‘ charakterisieren. Als Kriterium für den irreversiblen Zusammenbruch des Organismus als Ganzen taugen sie nicht. Der ,mentale Tod‘ ist für die Funktion des Organismus als Ganzen nicht konstitutiv, und die Spontanatmung kann intensivmedizinisch-apparativ ersetzt werden.“

Weitaus vorsichtiger als die deutschen Bischöfe hatte sich am 7. November 2008 Papst Benedikt XVI. zum Thema Hirntod und Organspende geäußert. In einer Ansprache vor Teilnehmern eines von der „Päpstlichen Akademie für das Leben“ veranstalteten Kongresses, bezeichnete Benedikt XVI. die Organspende zunächst als eine „besondere Form der Nächstenliebe“. Gegen Ende der Ansprache kam der Papst dann jedoch auch auf die Bedingungen zu sprechen, unter denen diese besondere Form des Zeugnisses der Nächstenliebe erwiesen und entgegengenommen werden könne. Dabei hielt er ausdrücklich fest: „Es ist in jedem Fall notwendig, daran zu erinnern, dass die einzelnen lebenswichtigen Organe ausschließlich ex cadavere entnommen werden können.“ „Immer“ müsse, so der Papst, die „Achtung vor dem Leben des Spenders als Hauptkriterium gelten, so dass die Organentnahme nur im Falle seines tatsächlichen Todes erlaubt ist“. Und weiter: „In einem Bereich wie diesem darf es nicht den geringsten Verdacht auf Willkür geben, und wo diese Gewissheit noch nicht erreicht sein sollte, muss das Prinzip der Vorsicht vorherrschen.“

Papst Johannes Paul II. hatte bereits am 18. Dezember 1989 in einer Ansprache an die Teilnehmer eines Treffens der „Päpstlichen Akademie der Wissenschaften“, das unter der Überschrift „Bestimmung des Todesmomentes“ stand, erklärt: „Einerseits sieht man die dringende Notwendigkeit, Ersatzorgane für Kranke zu finden, die in ihrer Schwäche sterben würden oder zumindest nicht mehr genesen können. Mit anderen Worten, es ist verständlich, dass ein Kranker, um dem sicheren oder drohenden Tod zu entgehen, das Bedürfnis hat, ein Organ zu empfangen, welches von einem anderen Kranken bereitgestellt werden könnte.“ Zugleich warnte der Papst aber vor der „Gefahr“, „dass man einem menschlichen Leben ein Ende setzt und endgültig die psychosomatische Einheit einer Person zerstört“. Es bestehe, so Johannes Paul II. weiter, „eine wirkliche Wahrscheinlichkeit, dass jenes Leben, dessen Fortsetzung mit der Entnahme eines lebenswichtigen Organs unmöglich gemacht wird, das einer lebendigen Person ist, während doch der dem menschlichen Leben geschuldete Respekt es absolut verbietet, dieses direkt und positiv zu opfern, auch wenn dies zum Vorteil eines anderen Menschen wäre, bei dem man es für berechtigt hält ihn derart zu bevorzugen“.

In seiner Enzyklika „Evangelium Vitae“ hat Johannes Paul II. eine derartige „Bevorzugung“ im Jahr 1995 sogar in die Nähe der Euthanasie gerückt. Dort schreibt er: „Und auch angesichts anderer, heimlicherer, nicht minder schwerwiegender und realer Formen von Euthanasie dürfen wir nicht schweigen: Sie könnte sich zum Beispiel dann ereignen, wenn man, um mehr Organe für Transplantationen zur Verfügung zu haben, die Entnahme dieser Organe vornimmt, ohne die objektiven und angemessenen Kriterien für dieFeststellung des Todes des Spenders zu respektieren.“

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