Man konnte sie, wie die chinesische, selbst noch aus höchsten Himmelshöhen wahrnehmen: die Mauer durch Deutschland, die vom Priwall an der Ostsee bei Lübeck bis ins Dreiländereck zwischen Hof und Selb in Bayern reichte und das Land seit dem 13. August 1961 unübersehbar teilte, wie sie auch die deutsche Hauptstadt Berlin brutal zerschnitt. Aus Satellitenhöhe, in über zehntausend Nächten reines ästhetisches Lichtereignis, war sie auf dem Boden der politisch-kriminellen Tatsachen zwischen Abend- und Morgendämmerung nichts anderes als ein illuminierter Todesstreifen, den am Tag zahllose Augenpaare von Grenzsoldaten „ableuchteten“: aus Türmen und Bunkern heraus, von Militärjeeps herab oder durch Postenpaare zu Fuß.
„Geteilt wird nicht geteilt sein“
Die deutschen Dichter und die Mauer durch Deutschland – Erinnerungen eines Schriftstellers Von Ulrich Schacht