Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Feuilleton

Fulton Sheen: Der Erzbischof mit der unverfälschten Klarheit

Erzbischof Fulton Sheen (1895 - 1979) sah Attacken und Verwirrungen im Kontext der Kirchengeschichte. Von Stefan Meetschen
Erzbischof Fulton Sheen
Foto: Twitter/Sophia Institute

Film- oder Medienstars, die zu Legenden und Mythen werden – das ist eigentlich nichts Besonderes. Die Liste ist lang und reicht von diversen Hollywood-Stars bis hin zu diversen TV- und Talk-Show-Moderatoren. Film- oder Medienstars, die Heilige waren – das ist allerdings schon ein etwas auserwählterer Kreis, denn die Kombination aus Heiligenschein und Scheinwerferlicht ist selten, scheint sich irgendwie auszuschließen. Meistens.

Einer, der zu den Exemplaren dieser raren Spezies zählt, dürfte der amerikanische Erzbischof Fulton Sheen sein, der über viele Jahrzehnte im US-Fernsehen und Radio das Evangelium verkündete: mit markanter Stimme, aufmerksamem Blick und eleganter Statur, aber auch mit unverfälschter Klarheit, wenn es um die katholische Lehre ging.

Das akademisches Wissen von Fulton Sheen

Und um die ging es dem 1895 in El Paso (Illinois) geborenen Sheen, der auf den Namen Peter getauft wurde, eigentlich ständig. Egal, ob er beim Radiosender NBC die „Catholic Hour“ schlagen ließ oder im Fernsehen im Rahmen von „Life Is Worth Living“ auftrat; Sheen erklärte Millionen von Menschen in einfacher, leicht verständlicher Weise die Grundwahrheiten der Heiligen Schrift und des Katholizismus, sodass es für andere Programme schwierig war, in Dramatik und Intensität mitzuhalten.

Noch heute springt das rhetorische Charisma Sheens unausweichlich über, wenn man sich etwa bei youtube.com seine fesselnden Ansprachen über die Gottesmutter oder die heilige Messe zu Gemüte führt. Was bei einer derartigen Performance-Brillanz aber schnell vergessen wird: Sheen, der am 20. September 1919 zum Priester und 1951 zum Bischof geweiht wurde, war ein Mann mit langjähriger akademischer Formation und Erfahrung.

An der Katholischen Universität im belgischen Löwen hatte er in Philosophie promoviert, am Angelicum in Rom promovierte er in Theologie. Mehr als 20 Jahre wirkte Fulton Sheen als Professor an der Katholischen Universität von Amerika in Washington. Dieser wissenschaftliche Background war auch bei seinem Verkündigungsdienst hilfreich und spürbar. Sheen, der Thomas von Aquin verehrte, sich aber auch stets über die Entwicklungen der modernen Kunst und Literatur informierte, entwickelte nämlich seine evangelistischen Gedanken und Appelle stets kohärent und logisch. Billige Showeffekte waren nicht seine Sache – wie allerdings auch nicht die administrativen Pflichten eines Diözesandienstes. Nur drei Jahre war er Ende der 1960er Jahre Bischof von Rochester, dann verzichtete er und gab sich mit einem Titularbistum zufrieden. Wissend, dass seine eigentliche Diözese das amerikanische TV-Publikum war.

Warnungen und prophetischen Worte 

Dieser Gemeinde mutete Fulton Sheen mitunter einige harte Themen und Wahrheiten zu, die nichts von ihrer Aktualität verloren haben. Heute vielleicht sogar noch dringlicher sind, da sich inzwischen viele Warnungen und prophetischen Worte Sheens erfüllt zu haben scheinen. So konstatierte Fulton Sheen, wie der „National Catholic Register“ berichtet hat, bereits im Jahr 1974 das „Ende der Christenheit“. Nicht der christliche Glaube, auch nicht die Kirche sei am Ende, aber das „ökonomische, politische, soziale Leben“, das von christlichen Prinzipien inspiriert sei. Abtreibung, Scheidung, Unmoral und Unehrlichkeit seien dafür die Symptome.

Aus Angst, unpopulär zu sein, würden sich auch gläubige Katholiken auf das Niveau der Welt begeben, anstatt die Welt zu erheben. Doch Erzbischof Sheen wusste auch, dass Aufwärts- und Abwärtsbewegungen in der Kirchengeschichte etwas ganz Normales sind. Ebenso wie Attacken und Verwirrungen. In den ersten 500 Jahren der Kirche hätten sich rund um die Person Christi Irrlehren entwickelt, dann habe es äußere Attacken auf die Kirche gegeben und im Zeitalter der Reformation habe man den Glauben zu reformieren versucht, obwohl doch am Glauben nichts falsch gewesen sei:

„Es war die Moral, die geläutert werden musste.“

Womit aus Sicht von Sheen auch schon das Problem der Moderne genannt ist, die „Tage der Prüfung“, da alles auf dem Kopf stehe und der Mensch sich ohne Maske als das zeige, was er wirklich ist. „Das Vatikanische Konzil sagte, dass wir in die Welt gehen müssen – tatsächlich, aber nicht, um Welt zu sein, ...“.

Wachsende Popularität von Sheen

Obwohl Sheen die tragische Last dieser Zeit der Prüfung realistisch einschätzte, wirkte er nie bedrückt. Er akzeptierte auf Grundlage der Heiligen Schrift die zukünftige Minderheitenrolle der Christen. Das Mittel, das Sheen für diese Zeit der Prüfung empfahl und das ihm selbst durch all die Jahrzehnte hindurch die Kraft und Stabilität für das öffentliche Wirken gab, war die Anbetung. Eine Stunde täglich vor dem Allerheiligsten, die sogenannte „Holy Hour“, hielt Sheen für unverzichtbar.

Für jemand wie Robert Barron, Weihbischof von Los Angeles, ist Sheen mit dieser inneren Gebetsbereitschaft und Disziplin seit langem ein Vorbild. Doch spätestens seit Papst Benedikt XVI. dem amerikanischen TV-Evangelisten, der 1979 bald nach einer Begegnung mit Papst Johannes Paul II. starb, im Jahr 2012 den heroischen Tugendgrad zusprach, wächst die katholische Fan-Gemeinde Sheens auch außerhalb der Vereinigten Staaten. Posthum. Wie natürlich auch die vatikanische Anerkennung eines Heilungswunders durch die Fürsprache Sheens im Jahr 2014 zur wachsenden Fulton Sheen-Verehrung beitrug. Spätere Seligsprechung nicht ausgeschlossen. Wenn sich doch nur nicht zwei Diözesen um den Besitz seines Leichnams streiten würden.

Warnung vor dem Anti-Christen

Zu den Höhepunkten des öffentlichen Wirkens von Erzbischof Fulton Sheen zählt sicherlich die berühmte Radioansprache aus dem Jahr 1947 über den Anti-Christen, der bei seinem Erscheinen auf eine Reihe von Tricks zurückgreifen wird, wie Sheen überzeugt war. So werde diese Gestalt „sich als der große Menschenfreund geben“, wie Stefanie Schelch für kath.net Sheens Worte übersetzt hat:

„Er wird über Frieden, Wohlstand und Fülle sprechen; aber nicht als Mittel, die uns zu Gott führen, sondern als Ziele an sich.“

Und: „Er wird eine Gegen-Kirche aufbauen, die die Kirche nachahmt, denn er, der Teufel, ist ein Nachahmer Gottes. Der mystische Leib des Anti-Christen wird äußerlich in allem der Kirche, dem mystischen Leib Christi, ähneln. Der moderne Mensch, der dringend Gott braucht, wird von ihm in seine Einsamkeit und Frustration mit hineingenommen, damit dieser mehr und mehr nach der Mitgliedschaft in seiner Gemeinschaft hungert. Diese Gemeinschaft gibt dem Menschen eine größere Bestimmung, ohne persönliche Umkehr und ohne Bekenntnis von persönlicher Schuld. In diesen Tagen wird der Teufel an eine besonders lange Leine gelegt werden.“

Sicherlich schadet es nicht, neben der einstündigen Anbetung zukünftig auch täglich mindestens eine halbe Stunde Fulton Sheen zu lauschen. Auch könnte es nützlich sein, seine Predigten und Ansprachen ins Deutsche zu übersetzen.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Stefan Meetschen Erzbischöfe Jesus Christus Johannes Paul II. Katholikinnen und Katholiken Literatur und Rezensionen Mutter Gottes Päpste Reformation der christlichen Kirchen Robert Barron Stefan Meetschen Thomas von Aquin

Weitere Artikel

Kirche und Kultur im Spiegel des „Tagespost“-Feuilletons – Plädoyer für eine katholische Weite.
08.09.2023, 15 Uhr
Stefan Meetschen

Kirche

Die Heilsquelle der Christen betrachten: Das Kreuz steht im Mittelpunkt authentischer Kirchenreformen.
28.03.2024, 21 Uhr
Regina Einig