Offenen Mundes sieht das Mädchen ihr Spiegelbild mit dem schwarzen Haarzopf an. Mit neugieriger Miene, doch gleichermaßen hochkonzentriert, hockt es mit seinen Knien auf dem Polster eines umgedrehten Stuhles. Zum Inventar des Raumes gehört auch ein Esstisch mit Kaffeetasse. Alles deutet auf eine angemessene bürgerliche Atmosphäre hin. Anastasia, wie die junge Frau heißt, lässt sich aber von ihrer Umgebung nicht sonderlich beeindrucken. Sie versucht nicht nur ihr Ebenbild im Spiegel anzuvisieren, sondern auch mit ihren fast noch kindlich anmutenden Fingern den Auslöserschalter ihres Photoapparats zu bedienen.
Fotografiere Dich selbst!
Mit dem Smartphone von sich selbst ein Porträt („Selfie“) zu machen und dieses in sozialen Netzwerken zu verbreiten, hat Konjunktur. Ist das Kunst oder Narzissmus? In jedem Fall wohl nicht so geheimnisvoll wie die Selbstinszenierungen früherer Zeiten. Von Alexander Ertl