Vor hundert Jahren war der Rechtspositivismus eindeutig herrschende Lehre an den juristischen Fakultäten des deutschsprachigen Bereichs. Es ging den führenden Rechtsgelehrten darum, alles Nicht-Juristische aus der Rechtsprechung herauszuhalten. Ihre Grundthese war: Unter Recht im juristischen Sinne ist nur zu verstehen, was der Gesetzgeber „gesetzt“, was er zum Gesetz gemacht hat und was vom Staat durchgesetzt werden kann. Jegliche darüber hinausgehende Rechtsphilosophie galt als „unjuristisch“. Moralischen oder gar religiösen Gesichtspunkten rechtliche Gültigkeit zu verschaffen, galt als Zeichen einer vorwissenschaftlichen Weltbetrachtung.
Droht die Wiederkehr des Rechtspositivismus?
Überdehnung von Norm und Tugenden: Warum mit der Einführung der „Ehe für alle“ die Grundlagen unserer Verfassung auf dem Spiel stehen. Von Winfried Henze