Ein Volk, das seine Dichter und Denker rühmt, kommt ohne literarisches Genie bei den Wahlen nicht aus. Doch Günter Grass, zuverlässige SPD-Wahlkampflokomotive seit den 60er Jahren, wirkt mit seinen moralinsauren Wahlkampfauftritten inzwischen so bräsig wie der gleichnamige Onkel in Fritz Reuters Roman „Ut mine Stromtid“ (Das Leben auf dem Lande). Zu oft hat man ihn gesehen, zu oft gehört. Eine Eigenschaft, die der Nobelpreisträger mit dem anderen SPD-Wahlkampf-Promi teilt: Altkanzlerkandidat Gerhard Schröder, der jüngst bei einer Kundgebung aus Heinrich Heines Gedicht „Doktrin“ zitierte: „Schlage die Trommel und fürchte dich nicht, trommle die Leute aus dem Schlaf“.
Die große Wahlkampf-Show
Eigentlich geht es im Wahlkampf nur um Stimmen. Doch um die zu bekommen, lassen sich die Parteien und Politiker immer spektakulärere Mittel einfallen. Entweder borgen sie sich den Glamour von Prominenten oder sie setzen auf eigene aufmerksamkeitsstarke Auftritte. Das kann gutgehen, aber nicht immer. Von Burkhardt Gorissen