Es gab bei ihr einen auffallenden Gegensatz zwischen ihrem erotischen Verhalten und ihren feinsinnigen philosophischen Auffassungen. Wenn sie diese beiden gegensätzlichen, sich ständig widerstreitenden Tendenzen an den Tag legte, musste ich an Dostojewski denken. Aber sie ging hoch, wenn man es ihr offen sagte.“ Die Rede ist von Etty (Esther) Hillesum (1914–1943), die seit ihrer Adoleszenz nicht nur durch ihre brillante Intelligenz, sondern auch durch ihr amouröses Verhalten auffiel. Mit gut 25 Jahren begann sie auf Anraten ihres Freundes, des Psychoanalytikers und Begründers der Psycho-Chirologie Julius Spier (1887–1942), regelmäßig Tagebuch zu führen. Tatsächlich schrieb die niederländische Jüdin im besetzten ...
Feuilleton
Etty Hillesum: Der Weg nach innen
„Gott helfen, damit er nicht verloren geht“ – Zu den Tagebuchnotizen von Etty Hillesum. Von Manfred Gerwing