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Santa Maria della Vittoria - Maria zum Siege

Roms auffälligste und gleichsam schönste Spur des Dreißigjährigen Krieges. Von Natalie Nordio
Gnadenbild Marias am Altar ist in Santa Maria della Vittoria
Foto: IN | Das Gnadenbild Marias am Altar ist in Santa Maria della Vittoria nur mit dem Fernglas zu sehen.

Vor vierhundert Jahren begann im Mai 1618 der Dreißigjährige Krieg, der Europa für lange Jahre in ein blutiges Schlachtfeld verwandelte, auf dem sich Protestanten und Katholiken gegenüberstanden. Schauplatz des letztlichen Auslösers für den Dreißigjährigen Krieg war Prag. In der Prager Burg kam es am 23. Mai 1618 während einer Zusammenkunft der beiden feindlichen Lager, die sich als Folge der böhmischen Aufstände herausgebildet hatten, zum Eklat. Kurzer Hand warf die protestantische Gruppe um Heinrich Matthias von Thurn die königlichen Statthalter und ihren Sekretär aus dem Fenster. In die Geschichte ging dieses Ereignis als „Prager Fenstersturz“ ein, der allgemeinhin als Beginn des Dreißigjährigen Krieges gilt. Auch wenn es sich genau genommen bereits um den „Zweiten Prager Fenstersturz“ handelt, denn der erste trug sich bereits im Jahr 1416 zu.

Beide Seiten konnten während dieser drei Jahrzehnte große Siege feiern, mussten aber auch schwere Niederlagen einstecken. Neben den direkten Kriegsfolgen rafften Hungersnöte und Seuchen vor allem auf dem Land die Menschen dahin. Teilweise wurde die Bevölkerung ganzer Landstriche halbiert, andern Orts sogar fast komplett ausgelöscht. Wie viele Menschen damals ihr Leben verloren, lässt sich heute gar nicht mehr genau sagen, aber die Zahl geht in Millionenhöhe.

In der Stadt Rom bekam man vom tobenden Krieg nur wenig mit. Die Papststadt war dabei, sich von den Schrecken des sechzehnten Jahrhunderts zu erholen und das Schreckgespenst Luther lag immerhin bereits hundert Jahre zurück. Wirklichen Krieg erlebte Rom in dieser Zeit nicht. Dennoch war das Interesse von Papst und Kirchenobrigkeit am Kriegsverlauf natürlich groß. Vor allem aber wurde es gebührend gefeiert, wenn die katholischen Truppen eine Schlacht siegreich für sich entscheiden konnten.

Santa Maria della Vittoria: Auffälligste Spur des dreißigjährigen Krieges in Rom

Nicht weit vom Hauptbahnhof Termini und der Piazza della Repubblica steht mit der Kirche Santa Maria della Vittoria die mit Abstand auffälligste Spur, die der Dreißigjährige Krieg in Rom hinterlassen hat. Der „Maria vom Siege“ geweiht, kündet die Kirche bereits mit ihrem Namen vom errungenen Triumph. Im Auftrag Kardinal Scipione Borgheses, dem Neffen Papst Pauls V., begannen unter Leitung des Architekten Carlo Maderno um das Jahr 1608 die Bauarbeiten für eine neue Kirche, die eine halb zerfallene, dem heiligen Paulus geweihte Kapelle ersetzen sollte. 1620 waren die Bauarbeiten bis auf die Fassade, die Giovanni Battista Soria erst 1626 fertigstellte, weitgehend abgeschlossen und man begann mit der Innenausstattung der Kirche. Doch noch fehlte der Kirche ihr Name. Eigentlich war vorgesehen, den Neubau wie die alte Kapelle unter den Schutz des Apostels Paulus zu stellen. Doch es kam anders.

Im November 1620 war wieder einmal die Gegend um Prag Schauplatz der ersten großen Auseinandersetzung während des Dreißigjährigen Kriegs. Am 8. November 1620 standen sich die Katholische Liga und die Protestantische Union in der „Schlacht am Weißen Berg“ gegenüber. Die protestantischen Truppen mussten sich der katholischen Übermacht geschlagen geben.

Legenden einer Schlacht 

Die katholische Seite hatte allerdings göttlichen Beistand, wie eine Legende überliefert. So sollen sie ein Bild der Heiligen Familie mit in die Schlacht genommen haben. Die Protestanten hatten im Vorfeld in der Gegend geplündert und den Figuren auf einigen Bildern die Augen ausgestochen. Bei dem Bildnis, das einige Männer mit in die Schlacht nahmen, handelte es sich um eines dieser geschändeten Werke. Nur die Augen des Jesuskinds hatten die Glaubensfeinde unversehrt gelassen, während die von Josef und Maria ausgestochen waren. Über diese Schandtat nicht nur über alle Maßen erzürnt, sondern vor allem angestachelt, sollen die katholischen Soldaten unter dem Schlachtruf „für die heilige Maria“ mitsamt dem Bild den Hügel am Weißen Berg gestürmt und die Feinde völlig überrumpelt haben, die mit diesem plötzlichen Angriff gar nicht gerechnet hatten. Einer anderen Legende nach habe das Jesuskind auf dem Bild die Gegner sogar mit Lichtstrahlen aus seinen Augen geblendet und ihnen die Sicht genommen.

Theresa von Avila
Foto: adobe stock | Die „Verzückung der heiligen Theresa“ in der Kirche Santa Maria della Vittoria in Rom stellt die Liebe, die den Glauben beseelt, dar.

Feierliche Einzug in die Santa Maria della Vittoria 

Zwei Jahre später folgte im Mai 1622 der feierliche Einzug des Bildes, das der Katholischen Liga zum Sieg verholfen hatte, nach Rom in die neue Kirche, die fortan an als Santa Maria della Vittoria bekannt war. Das wundersame Bildnis ist heute über dem Hauptaltar inmitten von goldenen Strahlen an der Chorwand angebracht. Bei einem Besuch empfiehlt sich jedoch ein Fernglas, da das Bild ziemlich klein ist. Von der siegreichen Maria kündet auch das Deckenfresko von Giovanni Domenico Cerrini. Es zeigt die Gottesmutter majestätisch auf Wolken, wie sie die Glaubensfeinde in die Flucht schlägt, die unter ihr in der Hölle zwischen Schlangen und Ungeheuern zu sehen sind. In der Apsiskalotte ist der feierliche Einzug des Bildes kurz nach der Schlacht in Prag dargestellt. Neben dem wundersamen Bildnis über dem Hauptaltar, der Deckenmalerei und der typisch barocken, üppigen Innenausstattung mit viel Gold, hat Santa Maria della Vittoria aber noch ein echtes Kunstschmankerl zu bieten.

In der ersten Seitenkapelle links neben dem Altar wartet schneeweiß und wunderschön, zwischen grünen Marmorsäulen in Szene gesetzt, Berninis Marmorskulptur der heiligen Teresa von Ávila. Die Heilige liegt mit leicht geöffnetem Mund auf einer Wolke, während ein Engel mit goldenem Speer bewaffnet dabei ist, sie zu durchbohren. Hinter dem Paar fallen golden leuchtende Strahlen herab. Über ein verstecktes Fenster fällt von oben natürliches Licht ein, das für eine ganz besondere Wirkung sorgt. Heute ist aus dem einst kriegerischen Siegessymbol das Paradebeispiel des römisch-barocken Kirchenbaus geworden.

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