Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung

„Ein Kind zu bekommen ist ein wunderbares Geschenk“

Kristijan Aufiero ist Initiator des Projekts 1000plus
Foto: 1000plus | Kristijan Aufiero ist Initiator des Projekts 1000plus und Vorsitzender des Vorstands von Pro Femina e.V.

Liebe Leserinnen und Leser der Tagespost,

Ganz auf sich allein gestellt zu sein ist der vorherrschende Eindruck und das dominierende Gefühl der meisten Frauen, die sich täglich an uns wenden. Dem Anruf oder der E-Mail an Pro Femina ist nicht selten die bittere Erfahrung der Ablehnung und der Zurückweisung unmittelbar vorausgegangen. Der Partner, die Eltern oder Freunde haben mit Unverständnis und Ablehnung auf die Nachricht „ich bin schwanger“ reagiert. Zurück bleiben die Frau und ihr ungeborenes Baby – und die existenzielle Angst um die eigene Zukunft und die quälende Frage, wie es weitergehen soll.

Oft ist die Beraterin von Pro Femina die Erste, die der Schwangeren ohne Wenn und Aber signalisiert: „Eine Schwangerschaft, das heißt ein Baby zu bekommen, ist vor allem anderen ein wunderbares Geschenk!“ Dieser erste Eindruck, dass es „da draußen“ wirklich jemanden gibt, der sich aufrichtig freut und sich wirklich interessiert, jemand, der Fragen stellt und zuhört, ohne auf die Uhr zu sehen, jemand der Mut machen möchte und sich auf die gemeinsame Suche nach Lösungen machen will – für die meisten Frauen eine ebenso überraschende wie überwältigende Erfahrung.

Es sind die echte Wertschätzung und der Respekt gegenüber der Schwangeren, die ihr die Sicherheit geben, angenommen zu sein und ihr ermöglichen, Vertrauen zu fassen und sich zu öffnen. Vertrauen ist also die Voraussetzung für Dialog und nur Dialog ermöglicht die gemeinsame Suche nach Lösungen. Wo Mutlosigkeit dominierte, keimt der Wille auf, Hürden zu überwinden, Herausforderungen werden Aufgaben und aus der Krise wird eine Chance.

Seit der Gründung des Projekts 1000plus konnten mittlerweile rund 20 000 Frauen beraten werden. Über 85 Prozent dieser Frauen befanden sich im existenziellen Schwangerschaftskonflikt. Diese Erfahrung hat uns vor allem anderen gelehrt: Bis auf seltene Ausnahmen will jede Schwangere ihr Kind „eigentlich behalten“. Es sind der Druck von Außen, Probleme, die mit der Schwangerschaft an sich wenig zu tun haben, und die Angst vor einer ungewissen Zukunft, die eine Frau verzweifeln und an eine Abtreibung denken lassen.

Objektive Information, echte Beratung und konkrete Hilfe ermöglichen einen Perspektivenwechsel und helfen, den Weg zu beschreiten, auf dem sie über sich hinauswachsen kann und zu wirklichem Heldentum fähig wird.

Ob dieser Weg wirklich beschritten und zu Ende gegangen wird, hängt auch von vielen äußeren Faktoren ab. Davon zum Beispiel, wie sich die Partnerschaft entwickelt. Aber auch von den weiteren Reaktionen ihrer Familie, von Seiten ihrer Freundinnen, den Kollegen oder Kommilitonen. Reaktionen und Meinungen prägen und bestimmen sogar zuweilen unsere Entscheidungen. Ist das Kind ein Geschenk – oder eine Bürde? Schwangere sind in dieser Frage hochsensibel und nehmen sehr genau wahr, wie ihr Umfeld, wie die Gesellschaft über Kinder denkt; sie sehen genau hin, wie ihre Mitmenschen reagieren, wenn ein Baby schreit: im Restaurant, im Bus oder in der Kirche. Sie hören genau zu, wie ältere Menschen über die Belastungen, Einschränkungen und Kompromisse als Familie sprechen. Aus genau diesen Gründen ist der Kampf gegen das Massenphänomen Abtreibung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir sollten gemeinsam die Chance ergreifen und eine Gesellschaft gestalten und prägen, in der Kinder wieder zuallererst als das begriffen werden, was sie sind: als wahrer Reichtum und als großes Geschenk!

Diesen Kulturwandel will 1000plus gemeinsam mit vielen tausend Menschen in unserem Land und in Europa voranbringen. Wie wird Deutschland wieder zu einem Land, das uneingeschränkt für die Würde jedes Lebens einsteht? Wie können wir anderen helfen und sie daran erinnern, dass jeder Mensch einzigartig und unendlich wertvoll ist? Welchen Beitrag kann jeder Einzelne dafür leisten, dass jede Schwangere wieder erfahren kann, was es heißt, „guter Hoffnung“ zu sein?

Diesen und vielen weiteren Fragen, möchten wir in der persönlichen Begegnung, in Workshops und Diskussionen beim diesjährigen 1000plus-Kongress nachgehen, der unter dem Motto „Kultur des Lebens“ am 27. und 28. Oktober in Fürstenfeldbruck bei München stattfinden wird. Ich würde mich sehr freuen, Sie dort begrüßen zu dürfen!

Herzlichst,

Ihr Kristijan Aufiero

Themen & Autoren
1000plus

Weitere Artikel

Was von dem Antrag der Fraktion Die Linke: „Für das Leben – Das Recht auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung sichern, reproduktive Gerechtigkeit ermöglichen“ zu halten ist.
12.03.2021, 11 Uhr
Stefan Rehder

Kirche

Die Heilsquelle der Christen betrachten: Das Kreuz steht im Mittelpunkt authentischer Kirchenreformen.
28.03.2024, 21 Uhr
Regina Einig