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Wie Zita von Habsburg Zuflucht fand

Warum Kaiserin Zita in Zizers Zuflucht fand. Von Stephan Baier
Kaiserin Zita von Habsburg mit ihren acht Kindern
Foto: Archiv | Nach dem frühen Tod ihres Gatten, des 2004 seliggesprochenen Kaisers Karl, trug sie nur mehr Schwarz: Kaiserin Zita mit ihren acht Kindern.

Die Haus Habsburg werden mit Österreich assoziiert, bei so manchen Geschichtsbewussten auch identifiziert. Und natürlich mit Ungarn, Slowenien, Kroatien, Böhmen und Mähren, mit Galizien und anderen Ländereien, die sich im großen Titel habsburgischer Herrscher finden. Aber mit der Schweiz? Und doch bildet die Schweiz einen historischen Rahmen um die mitteleuropäische Herrschaftsgeschichte der Haus Habsburg: Die namensgebende Stammburg des Grafengeschlechts, das zur bedeutendsten Dynastie Europas aufstieg, steht im Schweizer Kanton Aargau. Als die Donaumonarchie vor einem Jahrhundert auseinanderfiel, fand die kaiserliche Familie in der Schweiz ihre erste Zuflucht. Und der letzte Wohnort der letzten Kaiserin Österreichs und Königin Ungarns, Zita aus dem Hause Bourbon-Parma, war ebenfalls in der Schweiz: das St. Johannes-Stift in Zizers.

Alterssitz von Zita von Habsburg soll verkauft werden

Nun soll der malerisch zwischen graubündnerischen Bergen liegende Alterssitz von Kaiserin Zita verkauft werden. Weil die Freiherren von Salis in Zizers im 17. Jahrhundert gleich zwei stattliche Bauten errichteten, trägt dieses zur Unterscheidung den Namen „Unteres Schloss“. Ab 1899 wurde es als Altersheim für Priester geführt, zunächst durch das Seraphische Liebeswerk, dann von den Barmherzigen Brüdern, später von Dominikanerinnen und schließlich von Missionsfranziskanerinnen.

Wie der Medienbeauftragte des Bistums Chur, Giuseppe Gracia, gegenüber dieser Zeitung erläutert, nutzten jedoch immer weniger Priester dieses Altersheim, weil sie sich etwas anderes leisten konnten. So wurde das Haus als katholisches Altersheim weitergeführt, doch ließ es sich bald „aufgrund der zu geringen Größe und der Anforderungen des Denkmalschutzes im Gefüge des Schweizer Gesundheitswesens nicht mehr kostendeckend führen“.

Schweizer Medien schrieben unter Berufung auf den zuständigen Gemeindepräsidenten über einen Sanierungsbedarf von mehr als 60 Millionen Franken, andere Quellen schätzen eher 20 Millionen. Aber auch das wären noch knapp 18 Millionen Euro. Und so sucht der Eigentümer, die Stiftung, der das St. Johannesstift gehört, einen Käufer. Das Bistum Chur hat, wie Gracia betont, „nur die Aufsicht über die Stiftung, nicht die operative Leitung“.

Wer immer das „Untere Schloss“ erwirbt, wird von der prominenten langjährigen Bewohnerin keine Schätze erben, sondern nur Erinnerungen an die große Dame, die seit dem Tod ihres Mannes, des 2004 seliggesprochenen Kaisers und Königs Karl, stets in Schwarz gekleidet war. Dass sie sich „rührend um andere Heimbewohner gekümmert“ habe, einer Bettlägerigen beim Essen geholfen und am Sterbebett von Mitbewohnern Totenwache gehalten habe, wusste die Neue Zürcher Zeitung vor vielen Jahren zu berichten. Den Bewohnern von Zizers fiel sie wohl nur auf, wenn zu Geburtstagen plötzlich Dutzende Haus Habsburg aus unterschiedlichen Ländern anreisten.

Walburga Haus Habsburg Douglas, eine Enkelin der Kaiserin und jüngste Tochter Otto von Habsburgs, erinnert sich: „Großmama hatte ein eigenes Appartement mit Platz für Gäste“, erzählt sie der „Tagespost“. Es habe regelmäßig Familientreffen in Zizers gegeben, mit bis zu 33 Enkelkindern. „Das Esszimmer war so groß, dass wir ohne Probleme Platz hatten. Für uns war Zizers der Ort, um alle Cousins zu treffen.“ Auf den Wiesen der Umgebung spielten die Kaiserenkel dann – wie passend! – Völkerball.

Warum ging die Kaiserin in die Schweiz?

Warum die Kaiserin die letzte, 27 Jahre lange Phase ihres bewegten Lebens in der Schweiz zubrachte, ist vielfach gedeutet worden. Nach Österreich konnte sie aufgrund der diskriminierenden Habsburger-Gesetze nicht einreisen, doch wollte sie der Heimat nahe sein, argumentieren viele. Von Zizers aus war es nicht weit bis Pöcking, wo ihr Erstgeborener, das Familienoberhaupt Otto von Habsburg, seinen Wohnsitz hatte. Erich Feigl, der Biograf der Kaiserin, meinte, Zita sei „so zufällig wie glücklich hierher“ geraten: „Als sie während einer Romreise erkrankte, nahm sie das Johannesstift gastfreundlichst auf.“ Walburga Haus Habsburg Douglas weiß mehr: Ihre Großmutter sei im Stift geblieben, weil in der Kapelle jeden Tag zwei Messen gefeiert wurden, an Sonn- und Feiertagen noch mehr. Die Kapelle lag zwischen dem Appartement der Kaiserin und dem Esszimmer. „Ich glaube, dass Zizers für meine Großmutter ein richtiges Zuhause war, nahe Österreich, mit guter Versorgung und der Möglichkeit, Gäste in unbegrenzter Zahl zu haben.“ Die Mitarbeiter im Stift hätten mit den habsburgischen Kinderscharen, die zu den Familientreffen anreisten, „unendliche Geduld“ gehabt, erinnert sich die Enkelin.

Doch die exilierte Kaiserin und Königin empfing dort nicht nur ihre große Familie. Anlässlich ihres 80. Geburtstags reiste 1972 der Fürstprimas von Ungarn, Kardinal József Mindszenty, an. Er überreichte Zita eine ungarische Trachtenpuppe und ein Foto, das ihn mit Papst Paul VI. zeigt.

Im karg möblierten Arbeitszimmer der Witwe Kaiser Karls hingen zahllose Fotos. Hier erledigte sie mit einer Reiseschreibmaschine ihre Korrespondenz – eigenhändig, solange die Augen mitmachten. Nicht nur Fotos aus jenen Jahren, auch die Zeitzeugenberichte sprechen dafür, dass die aus der Heimat verbannte Kaiserin in Zizers so etwas wie eine Heimat fand.

Zita von Habsburg: Ein bewegtes Leben

Solches war ihr über Jahrzehnte verwehrt, denn mehr als 40 Jahre waren seit der Verbannung aus Österreich vergangen, bis Zita sich in Zizers niederließ. Ein wahrlich bewegtes Leben: 1892 kam Zita als 17. Kind des Herzogs Robert von Bourbon-Parma in Lucca zur Welt. 1911 heiratete sie in Anwesenheit von Kaiser Franz Joseph den österreichischen Erzherzog Karl. Beider Leben war ganz anders gedacht und wäre auch anders verlaufen, wäre nicht Thronfolger Franz Ferdinand 1914 in Sarajevo von einem serbischen Nationalisten erschossen worden. Der Erste Weltkrieg brach aus. Karl war nun Thronfolger und übernahm 1916, mit dem Tod Franz Josephs, ein auseinanderfallendes Reich. Zita war jetzt die Gattin eines regierenden Kaisers und Königs, der nichts mehr wollte, als seinen Völkern den Frieden zu bringen.

Das Kaiserpaar errang den Frieden nicht, verlor den Krieg und das Reich, wurde von der neuen republikanischen Regierung ins Exil gedrängt. Zunächst ging es in die Schweiz, wo Verwandte Zitas die Villa Wartegg besaßen. Das schien den Schweizer Behörden zu nahe der österreichischen Grenze, also musste der Kaiser mit seiner Familie weiterwandern an den Genfer See. Nach zwei gescheiterten Versuchen Karls, nach Ungarn heimzukehren, beschloss die Entente, die Haus Habsburg auf Distanz zu halten: Ein britischer Kreuzer brachte Karl und Zita auf die portugiesische Atlantikinsel Madeira. Dort starb der Kaiser – isoliert, verarmt und jung – 1922 an einer Lungenentzündung.

Spaniens König Alfons XIII. erbarmte sich der mittellosen, mit dem achten Kind schwangeren Witwe und ihrer Kinder: Er holte die Haus Habsburg nach Madrid, doch schon bald zogen sie in ein kleines Fischerdörfchen im Baskenland weiter. Madrid war einfach zu teuer gewesen. Vor dem Spanischen Bürgerkrieg floh die Familie nach Belgien, teilweise nach Paris, vor Hitlers Truppen nach Amerika. Während Otto, der Erstgeborene Karls, in Washington wirkte, ließ sich Zita im kanadischen Quebec nieder. 1949 übersiedelte sie nach New York. Erst 1953 kehrte sie nach Europa zurück.

Während Kaiser Karl bis heute auf dem Monte bei Funchal auf der Blumeninsel Madeira begraben liegt, ruht Kaiserin Zita in der Wiener Kapuzinergruft. Doch beider Herzen sind vereint: Sie ruhen im Kloster Muri, im Kanton Aargau in der Schweiz.

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