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Ritter mit aller Kraft unterstützen

Die Templer: Der Historiker Dan Jones wirft ein neues Licht auf einen echten Mittelalter-Krimi.
Das Ordensmotto der Templer deutet auf zwei Ritter auf einem Pferd hin
Foto: IN | Das Ordensmotto der Templer deutet auf zwei Ritter auf einem Pferd hin und sollte an das Ideal der Armut erinnern.

Herzstück vieler moderner Verschwörungstheorien ist die Behauptung, der Templerorden sei 1312 nicht aufgelöst worden, sondern existiere als Untergrund-Truppe in der einen oder anderen Weise fort. Das Internet ist voll von abenteuerlichen Thesen, bis dahin, dass die Templer im Geheimen diese Welt regieren. Auch präsentieren sich im Netz diverse Nachfolge-Gruppen, und sei es nur, um die Mitgliedschaft gewinnbringend zu verkaufen. Aber nicht nur skurrile Aspekte weist das Ringen um das angebliche Templer-Nachleben auf, es geht über ins wirklich Gefährliche: Der britische Historiker Dan Jones, Autor einer gut lesbaren Gesamt-Darstellung des Ordens, weist darauf hin, dass auch der norwegische Terrorist Anders Breivik sich rühmte, Mitglied einer neubelebten Templer-Zelle zu sein, dass ein mexikanisches Drogenkartell sich 2011 unter dem Namen „Los Caballeros Templarios“ gründete, mitsamt einer grausam-sachlichen Verhaltensregel für die Mitglieder, demnach für tödliche Gewalt eine Genehmigung doch bitte notwendig sei.

Die Templer, 1119 als kämpfender Ritterorden begründet und nach einem jeden rechtsstaatlichen Prinzipien spottenden Schauprozess gewaltsam aufgelöst, haben aber nicht nur zwielichtige Gestalten angezogen, sondern faszinieren auch die seriöse Wissenschaft. Ihnen sind mehr Bücher gewidmet als den beiden noch bestehendem Orden aus der Kreuzzugszeit, den Maltesern und dem Deutschen Orden. Dan Jones, den man sich so vorstellen muss, wie junge britische Historiker heutzutage aussehen – mit tätowierten Armen und im enganliegenden Hemd – ist nur der jüngste in der Reihe der Templer-Experten, als deren Wichtigster der Franzose Alain Demurger gelten kann (DT vom 27. Mai 2017).

Er wertet, wann immer es geht, zeitgenössische Quellen aus, schreibt flott und vermeidet Fachsprache, so dass sein Buch auch Nicht-Mediävisten zugänglich ist. Zutreffend stellt er heraus, wie sich die nach dem Tempel Salomons benannte Gemeinschaft vom schon im 11. Jahrhundert in Jerusalem tätigen Hospitalorden des heiligen Johannes, den heutigen Maltesern, abhob, nämlich als „ergänzender Orden, der bewaffnete Eskorten bereitstellte, die Bürde der Johanniter erleichtern und die Bedingungen für Tausende von Pilgern“ verbessern konnte. Freilich griffen auch die Malteser zu einem bestimmten Zeitpunkt zu den Waffen – um sich im weiteren Verlauf ihrer Geschichte davon wieder zu lösen.

Den Templern dagegen eignete von Anfang an und für die gesamte Dauer ihrer Existenz der Charakter einer auf striktem Gehorsam basierenden quasi-mönchischen militärischen Eingreiftruppe, die ihre theologische Grundlegung von einem der führenden Geister der Epoche, dem heiligen Bernhard von Clairvaux, empfangen hatte. Mit dem Mönchtum der Zeit hatten sie gemeinsam, dass das Armutsgelübde, verbunden mit außerordentlichen Privilegien durch Päpste und weltliche Herrscher, sie geradezu zwangsläufig zu schwerreichen Grund-Besitzern machte. Das sollte entscheidend zum Untergang des Ordens beitragen. Das Ordenssiegel, das zwei Ritter auf einem Pferd zeigte und an die Armut erinnern sollte, war am Ende nur noch ein ironisches Zitat. Für die Heutigen ist es wohl nicht mehr nachvollziehbar, dass es dem mittelalterlichen Menschen ein dringendes Anliegen war, die Ritter-Mönche, die so tapfer für das nach dem Ersten Kreuzzug entstandene Lateinische Königreich von Jerusalem eintraten, mit allem zu unterstützen, was ihm zur Verfügung stand. Viele, auch einfache Menschen, hatten den sehnlichen Wunsch, selber als Pilger nach Jerusalem zu reisen, ungeachtet der vielfältigen Gefahren. Wer das nicht konnte, gab bereitwillig den geistlichen Ritterorden, die unter widrigsten Bedingungen dort die Stellung hielten, seinen Obolus. Alles war willkommen, um Maltesern, Templern, Deutschherren den Rücken zu stärken, „eine Kiste Brennholz, ein alter Mantel, ein Schwert oder ein Kettenhemd“, aber auch „ein ganzes Landgut, eine Kirche, eine große Geldsumme“.

Natürlich referiert Dan Jones auch, wie alle Historiker vor ihm, die militärische Geschichte, die großen Schlachten zumal. Hier zeigt sich die Lebendigkeit einer quellen-basierten Darstellung, die auch die muslimische Seite berücksichtigt.

Mit heutigen Augen betrachtet fallen die zahlreichen komplett sinnlosen Kämpfe auf, die viele Menschenleben forderten, aber keinen militärischen Zweck erfüllten: Man ging in Unterzahl in den sicheren Tod. Das war einem Ehre-Ideal geschuldet, das nicht rational zu fassen ist. Allerdings war auch ein Franz von Assisi, von dessen berühmtem Auftritt vor Sultan al-Kamil 1219 bei Damiette in Ägypten der Autor berichtet, nicht ganz von dieser Welt. Es war wohl nur reine Gutmütigkeit des mächtigen Herrschers, die Franziskus, der ihn zum Christentum bekehren wollte, den Kopf rettete.

Eine Stärke von Jones' Darstellung besteht darin, dass er mehrfach prägnant Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Templer mit verwandten zeitgenössischen Gruppierungen herausarbeitet, so mit den Zisterziensern, den Franziskanern oder dem letzten großen Feind der Kreuzfahrer, den Mamelucken: „Beide bildeten eine elitäre Kriegerkaste und waren Außenseiter im Nahen Osten.“ So wie die Templerregel als Militärhandbuch fungierte, so gab es mameluckische Schriften über die Techniken, Übungen und die Lebensführung eines guten Kriegers: Beim anderen hasste man dann das, was man selber praktizierte. Die Templer haben das christliche Ourtremer (= Übersee) aber letztlich nicht halten können.

Aber ihr Ruhm, ihre darauf beruhende Unabhängigkeit und die finanzielle Stellung waren mehr, als die Zeitgenossen ertragen konnten. Nicht ohne Erschütterung liest man von den letzten Tagen des Kriegerordens, der am Ende der Finanznot des französischen Königs zum Opfer fiel. Die Rolle der Kirche, insbesondere von Papst Clemens V., der sich zum wenn auch widerstrebenden Werkzeug von König Philipp IV. machte, ist keine rühmliche. Doch hatte der geldgierige König nicht viel vom Ende des Ordens. Der größte Teil der Ländereien ging an den Johanniter/Malteser-Orden. Lediglich auf die laufenden Einnahmen der Templer in Frankreich konnte Philipp seine Hand legen, und das war wesentlich weniger als er sich erhofft hatte. Die Wahrheit ist, dass der Orden zum Zeitpunkt seiner Auflösung seine Glanzzeit schon hinter sich hatte. Dan Jones macht darauf aufmerksam, dass es konkrete Zusammenlegungs-Pläne mit dem Hospital-Orden vom heiligen Johannes gab.

Das dramatische Ende – der letzte Großmeister Jacques de Molay wurde 1314 verbrannt – sicherte den Templern aber das Nachleben. Der Orden wurde nach staatlichem wie kirchlichem Recht aufgelöst. Als Mythos lebt er fort.

Dan Jones: Die Templer – Aufstieg und Untergang von Gottes heiligen Kriegern. Verlag C.H. Beck, München, 2019, 508 S., mit Abbildungen und Karten, ISBN 978-3-406-73481-6, EUR 28,–

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