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Gütesiegel der Berufung

Kardinal Cordes beleuchtet die heilsame Provokation des Zölibats in Zeiten der Verwirrung.
Priesterweihe
Foto: Symbolbild: dpa | Ein einsamer Streiter? Einer, der weiß, was er will? Jenseits aller Klischees verheißt das ehelose Leben Glück und ein sinnerfülltes Leben.

Verschnitten um Jesu willen lautet der provozierende Titel des neuesten Buches von Kardinal Paul Josef Cordes. Einmal mehr hat er zur rechten Zeit ein Buch veröffentlicht, das sich auf tiefgründige Weise mit einem Thema befasst, das eine besondere Aktualität besitzt. Es geht hier um die Jungfräulichkeit um des Himmelreiches willen. Und diese ist mit im Spiel, wenn zum Beispiel im Zusammenhang mit der Amazonas-Synode einmal mehr die zölibatäre Lebensweise der Priester hinterfragt wird.

Die Grundthese des Kardinals ist einfach und einleuchtend: Die erotische Liebe ist eine gute Gabe des Schöpfers. Sie ist jedoch seit dem Sündenfall ,verwundet‘. Es ist die von Gott geschenkte Liebe, die Agape, welche den Eros zu ,heilen‘ vermag. Der Eros kann sich nicht aus eigener Kraft zur Agape erheben, sondern – umgekehrt – die Liebe Gottes reinigt, läutert und erhebt den Eros. So befähigt sie ihn zur einer selbstlosen Hingabe an Gott und die Mitmenschen.

„Die erotische Liebe ist eine gute Gabe des Schöpfers. Sie ist jedoch seit dem Sündenfall ,verwundet‘.

Wie begründet der Autor seine These? Er geht aus von der Theologie des Leibes des heiligen Papstes Johannes Pauls II.. Das allein ist schon verdienstvoll. Denn diese Theologie ist ein immer noch viel zu wenig bekannter Schatz unserer Kirche – bis hinein in die Theologischen Fakultäten und Ordinariate. Den Gründen dafür geht Kardinal Cordes nach, indem er auf die ,sexuelle Revolution‘ in der Gesellschaft eingeht, welche zu einer Konfusion auch unter Christen geführt hat. Ein Klärung tut folglich not.

Was ist das stärkste Argument für seine These? Es ist das Zeugnis von Heiligen, von Menschen aus ganz verschiedenen Epochen, welche sich von Gott so haben lieben lassen, dass sie jungfräulich lebten. Der Autor zeigt das an kurzen Lebensbildern von Teresa von Kalkutta, Maximilian Kolbe, Blaise Pascal, Mechtild von Magdeburg und Heinrich Seuse. Ausführlicher behandelt er das Zeugnis des Troubadours Ramon Llull, der ähnlich wie Nikolaus von der Flüe seine Familie verlassen hat, um ganz für Gott zu leben. Diese Gewährsleute bestätigen die Erfahrung, dass das Zeugnis stärker wirken kann als die Lehre.

Doch das Zeugnis ruft seinerseits wieder nach der Reflexion. Ermutigt wird diese zum Beispiel durch den Soziologen Charles Taylor. Er weist darauf hin, dass die Sehnsucht des Menschen, die Grenzen der Alltagserfahrung zu durchbrechen, gestillt wird durch die christliche Botschaft, dass Gott dem Menschen Anteil geben will an seiner Liebe, die mehr gibt als „jede mögliche Gegenseitigkeit“.

Der freiwillige Selbstverzicht führt nicht zum Selbstverlust

Kardinal Cordes vertieft die Reflexion über den „Affront der biblischen Jungfräulichkeit“ im Rückgriff auf Gedanken des großen Schweizer Theologen Hans Urs von Balthasar. Er ordnet sie ein im Heilsplan Gottes. Um die verlorene Menschheit mit sich zu versöhnen, erwählt Gott das Volk Israel.

Die Kirche ist das neue Volk Gottes. Die Christen leben in der Welt, sind aber nicht von der Welt. Christus, der ganz dem Vater zugewandt ist, und Maria, die Jungfrau, ermöglichen die Ganzhingabe an Gott in der jungfräulichen Lebensweise. So gibt es innerhalb der Kirche die beiden Berufungen zur Ehe und Familie einerseits und zur Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen andererseits.

Gerade weil die Jungfräulichkeit der Welt fremd ist, in welcher die erotische Liebe so oft als bloße Begierde erfahren wird, ist sie ein markantes Zeichen für die verwandelnde Kraft der göttlichen Liebe. So kann ihr Zeugnis auch die eheliche Liebe zu größerer Treue ermutigen.

Die gewonnenen Einsichten können nun angewendet werden auf das Weihepriestertum. Der freiwillige Selbstverzicht führt nicht zum Selbstverlust. Denn wer sich Jesus ganz hingibt, „erhält in Christus Anteil an Gottes dreifaltigem Leben“. Der Zölibat kann nur im Blick auf Jesus verstanden und gelebt werden: „Jesus sagt innige personale Zweisamkeit zu, ungetrübte Seligkeit, die Fülle ewigen Glücks in der Geborgenheit des liebenden Du.“ Letztlich kann der Zölibat verstanden werden als Indikator für die Echtheit der priesterlichen Berufung.

Liebe muss immer ganz konkret gelebt werden

Das Buch schließt mit einem eindrücklichen Zeugnis einer Familie des Neokatechumenalen Weges, welche sich als Familie in die Mission senden ließ. Von den Eheleuten und den christlichen Familien können die jungfräulich Lebenden lernen, dass die Liebe immer ganz konkret gelebt werden muss, um echt und glaubwürdig zu sein. Umgekehrt können von den Ehelosen um des Himmelreiches willen die Eheleute lernen, dass nur Gott allein unsere Sehnsucht ganz stillen und uns ganz glücklich machen kann.

Paul Josef Kardinal Cordes: Verschnitten – um Jesu willen. Zum Affront der biblischen Jungfräulichkeit. fe-medienverlag GmbH, Kisslegg, 2019, kartoniert, 120 Seiten, ISBN-13: 978-3863572273, EUR 9,95

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