Halb zehn ist es in der Millionenstadt Xi'an, und der Platz vor der buddhistischen Wildganspagode ist in Bewegung. Sanfte asiatische Musik dringt aus Lautsprechern. Männer und Frauen, Mütter mit Töchtern oder auch einfach zwei Freundinnen wiegen sich im Takt. Ob Walzerschritte oder andere Drehungen, jeder wie er möchte: Kann es einen friedlicheren Anblick geben? Doch es ist klar, wer hier den Takt vorgibt. Denn die Harmonie ist staatlich verordnet. Eine „harmonische Gesellschaft“ gilt zurzeit als oberstes Ziel der chinesischen Politik. Nach dem beispiellosen Wirtschaftsaufschwung sollen jetzt alle Gruppen in Harmonie und Eintracht beisammenstehen. Mann und Frau, Alt und Jung, Städter und Landbevölkerung. Und vor allem: ...
„Folgt ihr Jesus Christus?“
Friedlich und harmonisch soll es sein, das Leben im neuen China. So will es die Regierung. Auch die Religionen sollen daran mitwirken. Für die früher so hart verfolgten Katholiken haben sich gewisse Freiräume ergeben. Die Kirchen finden enormen Zulauf, ihre Botschaft ist wieder gefragt. Doch wer aus der Reihe tanzt, den verfolgen die Mächtigen noch immer gnadenlos. Von Christian Selbherr