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Gottes Lust am Menschen

Erfüllung finden im ehelichen Dreierbund: Stefan Endriss legt eine wertvolle Studie über die Theologie des Leibes vor.
Unterwasserhochzeit
Foto: dpa | Zu jeder echten Liebe gehört der Schöpfer als Dritter im Bund. Er garantiert den Partnern originelle und überraschende Perspektiven.

Mitten in den Auseinandersetzungen im Vorlauf der deutschen Synode liefert eine wissenschaftliche Arbeit nach langjährigen sorgfältigen Recherchen eine feste Plattform im Wirbel der theologischen Divergenzen um eine Neuevangelisierung und setzt den Hebel an bei einem zentralen Punkt, nämlich der Ehe und Familie. Sie untersucht die gesammelten Katechesen von Papst Johannes Paul II., die „Theologie des Leibes“ (TdL), mit ihrem Erkenntnisschatz und pastoralen Entwurf. Die als Habilitationsschrift konzipierte Untersuchung hat der Religionslehrer Stefan Endriß „nur“ als Buch herausgegeben, weil die darin enthaltene Botschaft des Papstes in Deutschland erst „rudimentär“ angekommen sei. Auf dem Hintergrund der Themenbesetzung der Synode, des unaufhaltsamen Durchsickerns der Informationen über die klammheimliche Demontage des Instituts von Johannes Paul II. durch den Vatikan selbst und der Kaltstellung der dort Lehrenden kann der Leser durch die diskreten Hinweise des Autors selbst zwei und zwei zusammenzählen. Eine Habilitation mit Johannes Paul II. ist wohl derzeit an deutschen katholischen Fakultäten ziemlich aussichtslos. Das Vorwort mit seinem Dank an die Unterstützer lässt aber auch die Namen der Förderer von TdL Revue passieren. Insgesamt also eine Orientierungshilfe auf zweiter Ebene für alle, die in verantwortlicher Stelle der Pastoral stehen. Eine Rezension der breit angelegten wissenschaftlichen Arbeit kann nur mit einigen Streiflichtern deren Wert aufzuzeigen.

Nach einer ausführlichen geistesgeschichtlichen und gesellschaftlichen Bestandsaufnahme münden die ersten Kapitel in eine übersichtliche, konzentrierte Darstellung der kirchlichen Sexualethik vor und nach dem Zweiten Vatikanum. In der personalen Anthropologie, wie sie in der „Sprache des Leibes“ nach Johannes Paul II. zum Ausdruck kommt, wird die Spannung zwischen Körper und Geist, Sexualität und Heilsweg des Menschen, attraktivem Eros und sakramentaler ehelicher Erfüllung im Dreibund mit Christus gelöst. Die Sicht der ganzheitlichen personalen Sexualität wirkt befreiend, das Glück durch den Ehepartner verlangt aber auch die Ganzhingabe, die sich in einer reichen Facettierung zwischen ehelichem Akt und der Mitsorge auch in den kleinen Dingen des Alltags beweist. Die Sprache des seelischen Austausches und die Sprache des leiblichen Einandergehörens weisen in ihrer gegenseitigen Ergänzung durch den kühnen Entwurf von Johannes Paul II. im stringenten Bündeln des Glaubensschatzes der Kirche auf den Liebesbezug zwischen Gott und den Menschen und machen dies auch persönlich erfahrbar: In der langen Geschichte zwischen Jahwe und seiner Tochter-Braut Zion und dem endgültigen Ja von Christus zu seiner Kirche. Im ehelichen Dreibund spiegeln sich Inkarnation, Erlösertod und Auferstehung und bilden eine umhüllende Vergewisserung des Heilsgeschehens. Dadurch wird auch der enge Zusammenhang zwischen sakramental gelebter Ehe und Eucharistie klar.

Auf diesem Hintergrund vermittelt der Autor plausibel entwickelte Einsichten zu pastoralen Brennpunkten: der Reifungsmöglichkeiten zur Ehebefähigung, der Fragen zu den wiederverheirateten Geschiedenen (WVG), der Elternschaft und der „Ehelosigkeit um des Himmels willen“. Er verweist auf die aussichtsreiche pastorale Begleitung von noch nicht in sakramentaler Verbindung Lebender, wenn diese ganzheitliche Sicht vermittelt wird: statt Verbotstheologie eine zielführende Pastoral ohne Abstriche am Glaubensgut. Das müsste aber konsequenterweise mit einer Kehrtwende in der Pastoralpraxis einhergehen: von einer permissiven Angleichung an andere tolerierte Lebensformen zu einer allgemein kirchlich dringenden Unterstützung von bisher noch wenigen, doch wirksamen Initiativen, wie sie zum Beispiel in Geistlichen Gemeinschaften, in Familienakademien, in Foren zur Verbreitung der „Theologie des Leibes“ (Eichstätt) oder im Studiengang „Theologie des Leibes“ im österreichischen „Heiligenkreuz“ gepflegt werden, und zwar mit großem Erfolg.

Hochinteressant sind die Kapitel, die die Spannung zwischen „Familiaris Consortio“ (FC) von Papst Johannes Paul II. und „Amoris Laetitia“ von Papst Franziskus behandeln. Die vertiefende Sicht von FC veranlasste Joseph Ratzinger, der sich 1972 noch die Zulassung der WVG zur Kommunion unter gewissen Bedingungen vorstellen konnte, später zusammen mit seinen eigenen Forschungen zu einer Revidierung. Johannes Paul II. stellt klar: Nicht die Frage einer subjektiven Schuld, in die nur Gott allein und der Betreffende Einsicht haben, ist der Grund zur Nichtzulassung zur Kommunion, sondern der offene und öffentliche Widerspruch zwischen Eucharistie und einer nicht kirchlichen Ehegemeinschaft. Der Leser fragt sich dabei nach der Realisierung einer kirchlich begleitenden konkreten Pastoral, die die WVG nach deren Möglichkeiten integrieren soll. Solange aber nur von deren „Hinzutreten“ in den Diskussionen gesprochen und das Sakrament durch Verkündigung und Praxis nicht besser geschützt wird, unterläuft doch eine eher autonome Gewissensentscheidung eine echte Begleitung. Läuft da nicht doch eine Pastoral der Barmherzigkeit Gefahr, als Situationsethik verstanden zu werden? Bei dieser Gegenüberstellung hält der Autor sich etwas bedeckt, verweist auf das Argument der heute gängigen „heidnischen“ Eheschließungen, das heißt ohne klare Einsicht in das Sakrament und dessen ausdrücklicher Bejahung. In einem späteren Kapitel über die Elternschaft als voller Form gelebter Sexualität gibt er aber indirekt eine Antwort: Das JA Christi mit der darin enthaltenen Schöpfungsteilnahme von Seiten der Ehepartner bleibt bestehen, wenn auch deren JA erkaltet ist. Daran sollte man anschließen, bevor es zu Brüchen kommt.

Verdienstvoll ist die Vorgehensweise des Autors wegen seiner „Bodenhaftung“ durch soziologische Studien der letzten Jahre, die beweisen, dass der Wert einer sakramentalen Ehe wieder mehr respektiert wird, wenn auch oft nur durch die Sehnsucht danach. Wenn dabei sich bewahrheiten sollte, dass eher nur die Angst vor den eigenen Grenzen der Grund für eine nicht sakramentale Partnerschaft die entscheidende Rolle spielt, ist ein neuer Hoffnungsstreif am Horizont der Ehepastoral gegeben. Die „Ehe als Schule der Heiligkeit“ – so der Titel der Schrift – könnte mit mehr Mut in der allgemeinen kirchlichen Katechese wieder den Raum einnehmen, der ihr gebührt. Zudem dürfte sich wieder eine Änderung im Klima der Berufungspastoral ankündigen, da mit dem sakramentalen Eheverständnis in der allgemeinen Pastoral ein neuer Frühling für die Berufungspastoral der „Ehelosigkeit um des Himmels willen“ eingeläutet werden könnte und die derzeitigen kurzsichtigen Zölibatsdebatten ein anderes Profil bekämen. Ähnlich ertragreich ist das Kapitel über die verantwortliche Elternschaft, die aus der ganzheitlichen personalen Sexualität lebt und die Skepsis der kirchlichen Ehelehre gegenüber überwinden kann. Das Buch: insgesamt ein wissenschaftlich-pastorales Werk gegen den Mainstream der autonomen Sexualethik.

Stefan Endriß: Ehe als Schule der Heiligkeit.
Die Mittwochskatechesen Johannes Pauls II. (1979-1984) und ihr Beitrag zur Sexualethik. Moraltheologische Studien, Bd. 10. EOS-Verlag, 2019, ISBN 978-3-8306-7934-9, EUR 49,95

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