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Jesus im Spielfilm

Die Wandlung des filmischen Jesus-Bildes im Laufe der Filmgeschichte. Von José Garcia
Filmszene aus "Auferstanden"
Foto: Sony | In Kevin Reynolds „Auferstanden“ („Risen“) von 2016 erlebt ein ehemaliger Militärtribun namens Clavius (gespielt von Joseph Fiennes, links) zusammen mit den Aposteln Christi Himmelfahrt.

Der klassische „Jesusfilm“ entstand in den fünfziger und sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Bis dahin hatte die Ansicht geherrscht, die Person Jesu sei im Film nicht darstellbar. Es gab sogar vonseiten etwa französischer und britischer Kultusbehörden ein Verbot aus dem Jahre 1913, Jesus auf der Kinoleinwand abzubilden. Deshalb wurden zwar bereits in der Stummfilmära und bis etwa 1950 wohl eine ganze Reihe „Bibelfilme“ realisiert, so dass die Bibelverfilmungen eine herausragende Stelle innerhalb der Literaturverfilmungen einnahmen. Der Jesusfilm blieb jedoch eine Ausnahme: Zwar sollen die Brüder Lumiere bereits 1897 einen Kurzfilm über die Passion Christi gedreht haben. Zwar widmet sich das zweite Kapitel in David W. Griffiths „Intoleranz“ (1916) ebenfalls der Verurteilung und dem Leiden Jesu. Die „Bibelfilme“ der 1920er bis 1940er Jahre stellten jedoch andere biblische Gestalten, etwa Simson und Delilah, Noah oder Moses in den Vordergrund. Noch 1950 sprach sich die deutsche evangelische Filmarbeit gegen den Jesusfilm aus: „Wir müssen bitten, die filmische Darstellung der göttlichen Offenbarung (Christusleben, Vorgang des Wunders, Vollzug der Sakramente) zu vermeiden. Der Film kann die Wirklichkeit des Heiligen Geistes nur im Spiegel eines menschlichen Schicksals spürbar machen.“

Diese Ansicht äußerte 2004 im Zusammenhang mit Mel Gibsons „Die Passion Christi“ ebenfalls der damalige Kardinal Joseph Ratzinger: Er sei überhaupt gegen Jesus-Filme, „weil ich glaube, dass man diese Gestalt, die alle menschlichen Maße bricht, nicht schauspielerisch darstellen kann“.

Trotz dieser Bedenken beschäftigten sich ab 1950 eine ganze Reihe Filme mit dem Leben und insbesondere auch mit Leiden, Tod und Auferstehung Jesu. Neben zumeist auf Romanvorlagen basierenden Monumentalfilmen, die biblisch-historische Begebenheiten fiktiv weiterentwickelten, etwa „Das Gewand“ (Henry Koster, 1953 mit Richard Burton in der Hauptrolle), „Ben Hur“ (William Wyler, 1959 mit Charlton Heston) oder „Barabbas“ (Richard Fleischer, 1962 mit Anthony Quinn), in denen Jesus der angesprochenen Tradition gemäß unerkennbar bleibt, entstanden in diesen Jahrzehnten die Jesusfilme, die für mehrere Generationen Kinobesucher Jesu Bild mitgeprägt haben.

Als erster Farb- und Tonfilm über das Leben Jesu drehte Nicholas Ray im Jahre 1961 „König der Könige“ („King of Kings“), ein dreistündiges monumentales Epos, in dem zwar sowohl die Kulissen als auch der historische Hintergrund stimmen, aber gerade Jesu Figur enttäuscht. Ein Kritiker schrieb damals: „Alle Leute sind interessanter als Jesus selbst“. Dies änderte sich jedoch drei Jahre später, als Max von Sydow die Hauptrolle in George Stevens' „Die größte Geschichte aller Zeiten“ („The Greatest Story Ever Told“, 1964) übernahm. Seine Jesus-Darstellung steht denn auch im Mittelpunkt, so dass nach dem Urteil des „Lexikons des internationalen Films“ die Schaueffekte „zugunsten einer eher bedächtigen, wohlkontrollierten Feierlichkeit zurücktreten“.

Zum Jesus-Bild trugen darüber hinaus zwei italienische Filme bei, die allerdings unterschiedlicher kaum sein könnten: Pier Paolo Pasolinis „Das 1. Evangelium – Matthäus“ („Il Vangelo secondo Matteo“, 1964) und Franco Zeffirellis „Jesus von Nazareth“ („Gesu di Nazareth“, 1977). Zeichnet sich der in Schwarzweiß gedrehte Film Pasolinis durch seine Kargheit aus, so ist Zeffirellis Film von einer geradezu ausladenden Opulenz geprägt. Arbeitete Pasolini vorwiegend mit Laiendarstellern, so wirken in Zeffirellis Jesusfilm nicht weniger als sechs Oscarpreisträger und weitere sechs Oscar-Nominierte mit. Es überrascht aber vor allem, dass der sich als Atheist bezeichnende und als Galionsfigur der italienischen Kommunisten geltende Pasolini eine dem Matthäus-Evangelium wortgetreue Filmfassung liefert. Zwar überwiegt in seiner Inszenierung ein sozialkritischer Gestus, der sich in Jesu Kompromisslosigkeit gegenüber dem religiösen Establishment ausdrückt, aber seine sparsame, sensible Interpretation fand das Wohlwollen des Vatikans. Auf die Sonderaufführung im Vatikan im Jahre 1964 folgte lang anhaltender Applaus. Der Realismus im Jesusfilm lag folglich zwischen Texttreue und möglichst aufwändiger Rekonstruktion des historischen Hintergrundes.

Eine wichtige Zäsur im Jesus-Film stellt Mel Gibsons „Die Passion Christi“ aus dem Jahre 2004 dar. Auf das mit kaum erträglichem Realismus gezeigte Leiden Jesu folgt die Auferstehung: Auf die Kreuzesabnahme und der „Pieta“-Einstellung folgt eine zehn Sekunden lange Schwarzblende, an deren Ende erst das typische Geräusch zu vernehmen ist, wenn Steine gerückt und aneinander gerieben werden, und dann ins Grab einfallendes Licht sichtbar wird. Zur einsetzenden Musik bewegt sich die Kamera auf die Steinplatte zu, auf der der in weiße Leinen eingehüllte Leib Jesu (noch) liegt. Das Licht fällt darauf, und die weißen Leinen fallen in sich zusammen – die Hülle ist leer. Die Kamerabewegung geht indes weiter, und fokussiert auf das verklärte Gesicht des offenbar sitzenden Jesus, der nun aufsteht, wobei die Kamera auf das Wundmal in der rechten Hand zoomt. Nach Gibsons „Die Passion Christi“ blieb die filmische Beschäftigung mit Jesu Tod und Auferstehung jahrelang aus. Bezeichnenderweise stellt der einzige größere Bibelfilm, der in der Nachfolge von Gibsons Film gedreht wurde, eine Art „Gegenstück“ dazu dar: Catherine Hardwickes „Es begab sich aber zu der Zeit...“ („The Nativity Story“, 2006) schildert die Zeit von der Verkündigung bis zu Jesu Geburt. Erst 2016 kehrte die Auferstehung Christi auf die Kinoleinwand zurück. In „Auferstanden“ („Risen“, DT vom 26.03.2016) erzählen Regisseur Kevin Reynolds und sein Mit-Drehbuchautor Paul Aiello von einem (fiktiven) Militärtribun namens Clavius (Joseph Fiennes), der vom Präfekten Pontius Pilatus den Auftrag erhält, für eine schnelle Bestattung des gerade gekreuzigten Jeshua zu sorgen. Nachdem Ratsherr Joseph von Arimatea von Pilatus den Leichnam Jesu überlassen bekommt, versiegelt Clavius die Grabstätte. Als aber zwei Tage später der Grabstein weggerollt und das Grab leer ist, beginnt Clavius im Auftrag eines sichtlich nervösen Pilatus, nach Jeschuas Leichnam zu fahnden. Auch wenn der Ausgang bekannt ist, machen die „modernen“ Ermittlungsmethoden die erste Stunde des Films zu einer spannenden Detektivgeschichte. Wobei die Filmemacher sie mit Quellentreue bis in die kleinsten Einzelheiten verknüpfen, selbst wenn die Faktentreue manches Mal schon überspitzt wirkt (Stichwort „Grabtuch von Turin“).

Der kürzlich im Kino angelaufene Spielfilm „Maria Magdalena“ (DT vom 15. März) setzt nicht nur die Evangelien, sondern auch einige apokryphen Schriften als Quelle ein. Das Ergebnis ist ein feministisch angehauchter Film, der einen Gegensatz zwischen Magdalena als Lieblingsjüngerin Jesu und Petrus konstruiert, dem vorgeworfen wird, die Botschaft Jesu missverstanden zu haben. Dennoch: Der Film wirft auch ein neues Licht auf einige Passagen des Lebens und insbesondere auf die Auferstehung Jesu.

Eingangs wurde die Frage nach Jesu Darstellbarkeit im Film angesprochen. Die Schwierigkeit, den Gottessohn darzustellen, begegnet bereits in der Kunst. Dies führte in der frühchristlichen Kunst zur idealisierten Figur des jugendlichen guten Hirten mit einem Schaf auf seinen Schultern. Erst Jahrhunderte später entstand in der darstellenden Kunst ein Jesusbild mit Anspruch auf Realismus. Ob dies mit der Entdeckung des Grabtuchs von Turin zusammenhängt, sei hier dahingestellt. Für die Darstellung des zugleich „vollkommenen Menschen und vollkommenen Gottes“ scheint die Kunst der bewegten Bilder keine befriedigende Formel gefunden zu haben – ob die Rolle Jesu von bekannten Schauspielern wie Max von Sydow („Die größte Geschichte aller Zeiten“) und Robert Powell (Franco Zeffirellis „Jesus von Nazareth“), mit weniger bekannten Darstellern wie Jim Caviezel (Mel Gibsons „Die Passion Christi“) oder gar mit einem Laiendarsteller (bei Pasolini) besetzt wird. Im Februar wurde bekannt, dass Mel Gibson zurzeit einen Spielfilm über die Auferstehung Jesu dreht (DT vom 15. Februar), der dem Vernehmen nach zu Ostern 2020 in die Kinos kommen soll. Das Besondere an diesem Film mit dem Arbeitstitel „Die Auferstehung“: Offenbar möchte Mel Gibson in seinem neuen Film die Zeitspanne zwischen Tod und Auferstehung Jesu darstellen, was bislang kein Filmregisseur unternommen hat, und was im Glaubensbekenntnis mit dem Halbsatz „hinabgestiegen in das Reich des Todes“ ausgedrückt wird. Eine Inszenierung der Befreiung aus dem „Schoß Abrahams“, in dem der christlichen Tradition nach die Gerechten der Ankunft Jesu harrten, dürfte besonders bildmächtig ausfallen. Ob Gibsons „Die Auferstehung“ der größte Film aller Zeiten wird, wie Hauptdarsteller Jim Caviezel in einem Interview sagte, sei dahingestellt. Jedenfalls darf erwartet werden, dass dieser Film ein Novum in der Geschichte des Jesusfilmes bedeutet.

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