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Yes, we can't

Vieles packte Donald Trump seit seiner Vereidigung bereits an – doch seine Erfolgsbilanz bezeichnen viele allenfalls als durchwachsen. Auch wenn er für einige Lichtblicke sorgte, hegen Katholiken weiterhin Vorbehalte gegen die Politik des 45. US-Präsidenten. Von Maximilian Lutz
U.S. President Trump looks out window of the Oval Office following an interview with Reuters at the White House in Washington
Foto: reuters | Blickt einer herausfordernden Zukunft entgegen: Donald Trump im Oval Office, dem Arbeitsplatz des Präsidenten im Weißen Haus.

Einhundert Tage sind nun vergangen, seit Donald Trump an einem verregneten Freitag in Washington, D.C. als 45. US-Präsident vereidigt wurde. 100 Tage, die für US-Präsidenten mehr als nur symbolischen Charakter besitzen. Seitdem Franklin D. Roosevelt, der von 1933 bis 1945 im Weißen Haus residierte, in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit zahlreiche politische Maßnahmen in die Wege leitete, um die Weltwirtschaftskrise zu überwinden, gelten sie als besondere Messlatte. Die ersten 100 Tage werden herangezogen um zu bewerten, wie sich ein amtierender Präsident bisher geschlagen hat, und was man von ihm in den verbleibenden 1 360 Tagen erwarten darf.

Donald Trump hat versprochen, den Sumpf in Washington trockenzulegen, das politische Establishment zu entmachten und zahlreiche gesellschaftspolitische Weichenstellungen der Obama-Ära zu korrigieren. An einigen Themen hat er sich bereits versucht. Doch viel Zählbares kann er bislang noch nicht vorweisen. Seine Zustimmungswerte sind von einem Höchstwert von 47,8 Prozent unmittelbar nach seiner Vereidigung auf 42 Prozent abgerutscht – der niedrigste Wert eines Präsidenten zu diesem Zeitpunkt seiner Amtszeit seit 1945. Davor wurden noch keine Daten erfasst.

Auch Katholiken, die bei der Stimmabgabe vergangenen November mit knapper Mehrheit Trump ihr Vertrauen aussprachen, bewerten seine bisherige Zeit im Oval Office kontrovers. Manche sehen in Trumps politischen Entscheidungen durchaus positive Ansätze, andere wünschen sich seinen Vorgänger Obama zurück. „Jede faire Beurteilung der ersten 100 Tage muss zu dem Schluss kommen, dass Trump bislang gescheitert ist“, meint Stephen Schneck, Politikwissenschaftler und katholischer Aktivist, gegenüber dieser Zeitung. Noch bedeutsamer als die geringen Zustimmungswerte des Präsidenten ist für Schneck die Tatsache, dass so viele Bürger ihn ablehnen. 52 Prozent sind es aktuell, nimmt man den Durchschnittswert der jüngsten Umfragen. Es sei Trump nicht gelungen, seine wichtigsten Wahlkampfversprechen einzulösen, sagt Schneck, der 2012 den stellvertretenden Vorsitz der Organisation „Catholics for Obama“ innehatte. Gläubige Katholiken sollten das jedoch begrüßen. „Andernfalls hätte er Maßnahmen ergriffen, die vielen etablierten Lehren der Kirche widersprechen“, so der Professor, der an der Catholic University of America in Washington, D.C. lehrt.

Auch Robert Royal, Chefredakteur des Online-Forums „The Catholic Thing“ und Vorsitzender der konservativen katholischen Denkfabrik „Faith and Reason Institute“ ist der Meinung, dass Trumps politischen Vorhaben bisher nur wenig Erfolg beschieden war. Jedoch zweifelt er daran, dass die ersten 100 Tage im Amt eine vernünftige Zeitspanne darstellen, um das Wirken eines Präsidenten zu bewerten. Man müsse den Fokus stattdessen weiter fassen. „Vielleicht sollte man überhaupt kein Urteil fällen, solange ein Präsident noch im Amt ist“, so Royal im Gespräch mit der „Tagespost“.

Als Katholik, der weder für Trump, noch für die demokratische Kandidatin Hillary Clinton votierte, erfreut es Royal besonders, dass Trump etwas unternommen habe, „um das Abtreibungsmonster im Land zu stoppen“. Die Abtreibungsgesetzgebung ist eine der erbittertsten Fronten, an denen sich Demokraten und Republikaner seit langem bekämpfen. Dass Trump den konservativen Juristen und Lebensschützer Neil Gorsuch als Richter am Supreme Court nominierte, nahmen viele Katholiken wohlwollend auf. Der einflussreiche Theologe und Politologe George Weigel lobte den ehemaligen Immobilienunternehmer dafür, Gorsuch trotz des heftigen Widerstands der demokratischen Abgeordneten im Obersten Gerichtshof durchzusetzen. Mit Gorsuch habe Trump eine gute Entscheidung getroffen, meint auch Royal. Schnecks Erwartungen sind allerdings noch gedämpft. „Es muss sich erst noch zeigen, ob er das Gerichtsurteil Roe versus Wade tatsächlich aufheben will.“ Sollte das der Fall sein, wäre immer noch eine weitere Neubesetzung am Obersten Gericht vonnöten, um das kontrovers diskutierte Urteil aus dem Jahr 1973 zu kippen.

Beifall spendet Schneck dem amtierenden Präsidenten hingegen für seine Entscheidung, die „Mexico City-Policy“ wieder einzuführen. Dadurch darf die Regierung ausländischen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die Abtreibungen unterstützen, keine Finanzhilfen gewähren. Die Anerkennung, so der 63-jährige Politikwissenschaftler, gebühre allerdings hauptsächlich dem Vizepräsidenten Mike Pence. „Ich bezweifle, dass Trump viel über die ,Mexico City-Policy' wusste, ehe Pence sich für deren Restaurierung einsetzte.“ In Sachen Lebensschutz fällt das Fazit von Royal und Schneck somit ähnlich aus. Trump hat dringend benötigte Schritte in die Wege geleitet, um die Zahl der Abtreibungen zu senken. Ein Thema, das einem Großteil der Katholiken in Amerika sehr am Herzen liegt. Für einen aufrichtigen Lebensschützer halten sie ihn deshalb noch nicht. „Wenn ich mir Trumps Vergangenheit anschaue, so glaube ich nicht, dass der Lebensschutz für ihn tatsächlich eine Rolle spielt“, gibt Royal zu bedenken. Vielmehr sei er auf die pro-life-Seite übergewechselt, um im Wahlkampf eine siegesfähige Koalition hinter sich zu vereinen.

Ein weiteres Thema, das auch für Katholiken hohe Relevanz besitzt, ist die Einwanderungspolitik. Papst Franziskus mahnte Katholiken immer wieder an, Flüchtenden und Menschen in Not zu helfen und betonte, wie wichtig es sei, sie in die Gesellschaft zu integrieren. Im Februar wollte die Regierung Trump Bürger aus vorwiegend muslimischen Ländern mit einem per Dekret erlassenen Einreisestopp daran hindern, ins Land zu gelangen. Ein Vorstoß, der von mehreren Gerichten gestoppt wurde. Und auch unter den US-Katholiken stieß das Vorhaben mehrheitlich auf Ablehnung. Laut einer Studie des Meinungsforschungsinstituts „Pew Research Center“ sprachen sich 62 Prozent der befragten Katholiken gegen eine solche Einwanderungsblockade aus. Bei weißen Katholiken lag die Zustimmung bei 50 Prozent. 81 Prozent der Katholiken mit hispanischen Wurzeln lehnten das Vorhaben ab.

Die US-Bischofskonferenz vermied es bisher, offen Kritik an Trump zu äußern. Wie die meisten in den USA wüssten die Bischöfe noch nicht, wie Trump letztendlich einzuschätzen sei, sind sich Royal und Schneck einig. Während sie die Entscheidungen des 70-Jährigen in Sachen Lebensschutz begrüßten, stieß das Einwanderungsdekret seiner Administration auch bei den Bischöfen auf Ablehnung. Doch jener Einreisebann ist nicht die einzige Maßnahme, die Trump und sein Team in den ersten 100 Tagen ergriffen haben, um eine restriktivere Einwanderungspolitik zu fahren. Schneck weist darauf hin, dass die Regierung bereits bestehende Einwanderungsgesetze konsequenter anwende als die vorherige Administration. Dadurch würden zahlreiche Einwanderer ohne Vorstrafenregister deportiert und von ihren Familien getrennt. Sollte Trump tatsächlich zwölf Millionen Immigranten ohne Papiere des Landes verweisen, wäre das für den in Washington lehrenden Professor eine „moralische Katastrophe beispiellosen Ausmaßes“. Es gehe jedoch niemand davon aus, dass er solch eine Maßnahme verwirklichen kann. Royal wird noch deutlicher. Die USA könnten und dürften nicht Millionen von Menschen deportieren. „Stalin hätte das vielleicht getan. Nicht die USA.“ Man habe es denen, die illegal ins Land eingewandert seien, ermöglicht, sich auf amerikanischem Boden eine Existenz aufzubauen. „Daher haben wir nun auch eine moralische Verantwortung.“ Allerdings stimmt er Trump zu, dass der islamische Terrorismus einiges verkompliziert habe. „Eine der Hauptaufgaben des Staates ist es, die Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten.“ Muslime aus dem Nahen Osten stellten dabei nicht nur eine unmittelbare Bedrohung dar, sondern sorgten auch langfristig für Herausforderungen, sagt Royal. „Denn viele von ihnen werden sich nicht in die Gesellschaft integrieren.“ Daher sei es ratsam, Teile von Trumps Einwanderungspolitik zumindest in Erwägung zu ziehen.

Royal begrüßt das Vorgehen der Regierung Trump auf einem weiteren Gebiet: der Gesundheitspolitik. Seit Barack Obama im März 2010 den „Patient Protection and Affordable Care Act“ – im Volksmund „Obamacare“ genannt – unterzeichnete, lieferte dieser immer wieder Zündstoff für hitzige Gefechte zwischen Demokraten und Republikanern. Das vom amtierenden US-Präsidenten initiierte Vorhaben, Obamas Gesundheitsvorsorge auszuhebeln, scheiterte zwar an mangelnder Unterstützung in der eigenen Partei. Es sei dennoch die richtige Entscheidung, behauptet Royal. „Obamacare ist unnötig kompliziert und wird spätestens nächstes Jahr unter seinem eigenen Gewicht zerbrechen“, so der 67-Jährige. Daher sei es „unbedingt erforderlich“, das Gesetz zu überarbeiten – ob man es nun ganz abschaffe, oder nicht. Der erste Anlauf sei mangels gründlicher Vorbereitung gescheitert. Doch Royal ist sich sicher: Eine Reform der Gesundheitsvorsorge wird wieder auf den Tisch kommen.

Stephen Schneck teilt diese Meinung nicht. Er räumt zwar ein, dass Obamacare allerlei Probleme aufweist. Angesichts der politischen Realität sei es jedoch das wohl bestmögliche System. „Papst Benedikt XVI. sagte einmal, dass jeder ein Recht auf Gesundheitsvorsorge hat. Dem stimme ich zu.“ Obamacare einfach abzuschaffen, könne also keine akzeptable Vorgehensweise sein, so Schneck. Sollten Trump und die Republikaner im Kongress das Recht auf eine Gesundheitsvorsorge respektieren, werde die mögliche Alternative wahrscheinlich fast genauso aussehen wie Obamas Konzept. Und für Weigel, Biograf Papst Johannes Pauls II., steht schon jetzt fest, dass Trump in Sachen Gesundheitsreform versagt hat.

In seiner Antrittsrede bekräftigte Donald Trump noch einmal, was er bereits im Wahlkampf wie ein Mantra wiederholte: Amerika stehe an erster Stelle, er wolle nicht, dass sein Land länger die Rolle des interventionistischen Weltpolizisten übernehme. Dieser Ankündigung zum Trotz hielt er sich nicht von den Krisenherden der Weltbühne fern. Er veranlasste einen Raketenangriff in Syrien, zündete in Afghanistan die „Mutter aller Bomben“ und erhöhte den Druck auf Nordkoreas Machthaber Kim-jong Un. Stephen Schneck sieht darin eine Reaktion auf die Erkenntnis, dass die innenpolitische Macht des US-Präsidenten sehr limitiert ist. „Das hat dazu geführt, dass er sich mehr und mehr der Außenpolitik und dem Militär zugewendet hat.“ Ein Handeln, das vereinbar ist mit christlichen Werten wie Menschenwürde, Gerechtigkeit und Nächstenliebe? Schneck verneint das entschieden. Trump sehe die Welt durch eine andere Brille. „Traditionell christliche Werte wie soziale Gerechtigkeit, Bescheidenheit oder Nächstenliebe erfahren von ihm keine große Wertschätzung.“

Royal bezeichnet Trumps außenpolitisches Handeln als „chaotisch und inkompetent“ und sieht es ebenfalls nicht zuvorderst auf christlichen Werten basierend. Jedoch zweifelt er daran, ob sich ein Land in der Außenpolitik von solchen Prinzipien leiten lassen könne. Vielmehr müsse ein US-Präsident in einer Welt agieren, „in der internationale Abkommen nur schwache Garantien sind und unerwartete Krisen schnelles Handeln erfordern, ohne sämtliche Fakten zu kennen“. Der Vorgängerregierung wirft er vor, unter dem Deckmantel der Nächstenliebe ideologisch orientiert und imperialistisch gehandelt zu haben. „Unter Clinton und Obama förderten die USA zum Beispiel die Rechte von Homosexuellen und das Recht auf Abtreibung überall auf der Welt, während andere Interessen dabei manchmal missachtet wurden.“

George Weigel, der am „Ethics and Public Policy Center“ in Washington lehrt und sich im Wahlkampf öffentlich gegen Trump positioniert hatte, lobt ihn nun dafür, in außenpolitischer Hinsicht „aufgewacht“ zu sein. Damit drückt er eine Hoffnung aus, die viele Amerikaner hegen dürften: dass der republikanische Präsident in Zukunft auch auf einigen anderen Gebieten „aufwachen“ werde. Durch einen kompetenten Beraterstab und persönliche Erfahrungen im Amt bestehe immerhin die Möglichkeit, dass auch Trump noch dazulernt, meint Royal. Das stellte der Milliardär bereits unter Beweis, indem er einige der im Wahlkampf getroffenen Aussagen zurücknahm oder abschwächte. Royal warnt jedoch vor übertriebener Zuversicht. „Trump ist 70 Jahre alt, und er ist arrogant. Ich traue ihm nicht allzu viele Fortschritte zu.“

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