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„Der Synodale Weg kennt keine Stoppschilder“

Der Synodale Weg offenbare zwei unversöhnliche theologische Denkrichtungen, schreibt der Regensburger Bischof Voderholzer in einem exklusiven Beitrag für die „Tagespost“.
Bischof Voderholzer: "Die immer wieder beteuerte Lernbereitschaft in Sachen Synodalität halte sich bisher sehr in Grenzen."
Foto: Julia Steinbrecht (KNA) | Die immer wieder beteuerte Lernbereitschaft in Sachen Synodalität halte sich bisher sehr in Grenzen, so der Regensburger Bischof.

Mir wird immer deutlicher bewusst, dass der Synodaler Weg von DBK und ZdK darunter leidet, dass wir uns dort zu Beginn nicht darauf verständigt haben, was wir gegenseitig als theologisches Argument gelten lassen. Der Orientierungstext verschleiert es mehr als er es klärt. 

Kein gemeinsames Sprachspiel gefunden

Karl-Heinz Menke hat jüngst in einem Aufsatz meines Erachtens sehr zu Recht darauf hingewiesen, dass sich in der theologischen Landschaft Deutschlands zwei Richtungen mehr und mehr unversöhnt gegenüberstehen. Er nennt sie libertarisches Freiheits- und Wahrheitsverständnis, und kompatibilistisches (von kompatibel – vereinbar) Freiheits- und Wahrheitsverständnis.

Das libertarische Freiheitsverständnis lässt nur gelten, was dem je eigenen subjektiven und vermeintlich aufgeklärten Bewusstsein und der autonomen Vernunft einleuchtet. Alles andere wird als theologisch „substanzlos“, wie Björn Odendahl sich jüngst in einem Kommentar auf katholisch.de ausdrückte, weggewischt. Die theologischen Erkenntnisorte „Zeichen der Zeit“ und „Lebenswirklichkeit“ treten nicht neben die klassischen Erkenntnisorte von Schrift, Tradition, Lehramt, sondern beginnen sie in der Praxis des Argumentierens zu ersetzen.

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Der kompatibilistische Ansatz geht davon aus, dass der menschlichen Vernunft eine Wirklichkeit, und im Falle des christlichen Glaubens, eine göttliche Offenbarung gegenübersteht, der zu entsprechen, der zu antworten die menschliche Freiheit nicht aufhebt, sondern erst zu sich bringt. In einer seiner früheren Publikationen hatte Menke den Sachverhalt auf die Gegenüberstellung „Macht die Wahrheit frei“ oder „die Freiheit wahr“ zugespitzt (vgl. Menke, Macht die Wahrheit frei oder die Freiheit wahr?, 2017). Wie Menke mittlerweile selbst einräumt, ist diese Alternative unzureichend, denn von einem Anspruch auf „Wahrheit“ kann unter den Voraussetzungen eines libertarischen Freiheitsverständnisses gar nicht mehr die Rede sein. Es gibt nur noch mehr oder weniger subjektive Überzeugungen (vgl. Menke, Das libertarische Verständnis von Glauben und Offenbarung, 2022). 

Die Vertreter der kompatibilistischen Richtung waren von Anfang an in den Foren in der verschwindenden Minderheit. Es war höchstens möglich, noch kosmetische Verbesserungen einzutragen, aber die Grundrichtung stand fest, so dass wir uns ausgebootet fühlen mussten (von Bischöfe Seite: Weihbischof Wörner im Synodalforum I, Kardinal Woelki und Bischof Hanke im Synodalforum II, meine Person im Synodalforum III, Bischof Oster im Synodalforum IV, Weihbischof Schwaderlapp hatte deswegen das Synodalforum IV verlassen). Mir kommt es darauf an, zu zeigen, dass dies nicht an der Qualität unserer Argumente liegt, sondern an der Vorentscheidung, nichts Vor-gegebenes, nichts der autonomen Vernunft nicht Einleuchtendes gelten zu lassen. Dies aber ist nicht nur eine „neue Theologie“, die sich in eine offenbarungsfreie Philosophie aufzulösen beginnt, sondern auch die Grundlage nicht einer erneuerten und gereinigten Kirche, sondern die Grundlage einer völlig anderen und in diesem Sinne „neuen Kirche“.

Lehre ist Fundament und nicht Beratungsgegenstand

Diese Grundentscheidung zieht sich durch alle Texte und Debatten des Synodalen Weges. Besonders deutlich wird es z.B. im Grundtext des Synodalforums III, wenn dort behauptet wird, begründungspflichtig sei nicht die Änderung der Lehre (dass das Weiheamt Männern vorbehalten ist), sondern ihre Beibehaltung. 

Ohne gemeinsames Fundament kann keine synodale Kirche entstehen. Papst Franziskus macht in seinen unzähligen Ausführungen über Synodalität immer wieder klar, dass das gemeinsame Fundament der synodalen Kirche ihre gültige Lehre ist. So hält Kardinal Walter Kasper in seinem Beitrag für die Festschrift zum 65. Geburtstag von Kardinal Kurt Koch fest: „Es geht dem Papst ganz und gar nicht darum, die kirchliche Lehre und die Gebote Gottes als unbedeutend beiseitezuschieben, wie manche innerkatholisch befürchten. Es geht ihm nicht um ein Christentum zu herabgesetzten Schleuderpreisen. Er will das ganze und vollständige Evangelium (EG 237), das in der Kirche verkündet, geglaubt und im Leben bezeugt wird, in seinem inneren Zusammenhang, in seiner ursprünglichen Schönheit und in seiner Anziehungskraft zum Leuchten bringen und den Duft des Evangeliums neu verbreiten (EG 34; 39)“ (Kasper, Die ökumenische Vision von Papst Franziskus, 2015).

Ich befürchte, dass der Synodale Weg, so wie wir ihn nun auch bei der vierten Synodalversammlung erleben mussten, und künftig im „Synodalen Rat“ wohl erleben werden, dazu keinen Beitrag leisten kann. Die immer wieder beteuerte Lernbereitschaft in Sachen Synodalität hielt sich bisher jedenfalls sehr in Grenzen. Und ich weiß nicht, wie sich gegen die Mehrheit der Synodalversammlung, die sämtliche bisherigen Stopp- und Warnschilder aus Rom quasi mit Vollgas überfahren hat, etwas daran ändern ließe. Vorerst will ich alles daran setzen, die Schönheit unseres katholischen Glaubens an den vielen Orten gelebten Glaubens und Kircheseins zum Leuchten zu bringen, und zwar für alle Menschen, die ihr Herz wirklich an Gott festmachen wollen. 


Der Autor ist amtierender Bischöfe von Regensburg und Mitglied im Synodalforum III, „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“

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