Inner-orthodoxe Spannungen stünden im Hintergrund der heutigen Situation in der Ukraine und hätten die Beziehungen zwischen Moskau und Konstantinopel sehr belastet, sagt der Präsident des vatikanischen Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen, Kardinal Kurt Koch, im Gespräch mit der „Tagespost“. „Es wäre aber erbärmlich, wenn sie zum schrecklichen Krieg in der Ukraine geführt hätten oder als Legitimation dafür herangezogen würden. Denn kirchliche Konflikte dürfen nie mit Gewalt gelöst werden.“
Kritik am Moskauer Patriarchat
Kardinal Koch erinnert im „Tagespost“-Interview daran, dass in Russlands Krieg gegen die Ukraine „auch Orthodoxe des Moskauer Patriarchats in der Ukraine getötet und deren Kirchen zerstört werden“. Deutliche Kritik äußert der Ökumene-Verantwortliche des Papstes am Moskauer Patriarchat: „Die pseudoreligiöse Rechtfertigung des Krieges durch Patriarch Kyrill muss jedes ökumenische Herz erschüttern. In christlicher Sicht kann man keinen Angriffskrieg rechtfertigen, sondern allenfalls, unter bestimmten Bedingungen, die Verteidigung gegen einen ungerechten Angreifer.“ Den brutalen Angriffskrieg Putins als „Spezialoperation“ zu verharmlosen, sei ein Missbrauch der Sprache. „Ich muss dies als absolut unmögliche Position verurteilen“, so Koch wörtlich.
Als Häresie bezeichnet es der für die Ökumene verantwortliche Kurienkardinal, „dass der Patriarch aus pseudoreligiösen Gründen den brutalen und absurden Krieg in der Ukraine zu legitimieren wagt“. Das dahinter liegende Grundproblem sei, dass das Verhältnis zwischen Kirche und Staat in der Orthodoxie im Sinn einer Symphonie zwischen beiden gesehen werde. Das soll im ökumenischen Dialog künftig stärker problematisiert werden.
Treffen mit Kyrill würde den Papst beschädigen
Angesichts der Stellungsnehmen Kyrills in diesem Krieg ist nach Ansicht von Kardinal Koch an eine neuerliche Begegnung des Papstes mit dem Oberhaupt der russischen Orthodoxie gar nicht zu denken: „Würde eine erneute Begegnung von Papst und Patriarch in einem Moment stattfinden, in dem noch immer kriegerische Handlungen erfolgen und Patriarch Kyrill an seiner unhaltbaren Rechtfertigung des Krieges festhalten würde, wäre sie schwerwiegenden Missverständnissen ausgesetzt. Denn sie könnte als Unterstützung der Position des Patriarchen durch den Papst missverstanden werden, was den Papst in seiner moralischen Autorität arg beschädigen würde.“ Er selbst sei Papst Franziskus dankbar, dass er das für Mitte Juni vorgesehene Treffen mit Patriarch Kyrill in Jerusalem abgesagt hat. DT/sba
Lesen Sie das vollständige Exklusivinterview mit Kardinal Kurt Koch in der kommenden Ausgabe der „Tagespost“.