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Als der Teufel den Kürzeren zog

Das Martyrium Jacques Hamels lässt das Bild des katholischen Priesters aufleuchten. Von Regina Einig

Im April hat das Erzbistum Rouen mit einer Sondererlaubnis des Papstes den Seligsprechungsprozess für den im Somer 2016 von Dschihadisten ermordeten Geistlichen Jacques Hamel eröffnet. Ein außergewöhnlicher Schlussakkord unter das Leben eines auf den ersten Blick betrachtet unscheinbaren Dieners der Kirche. Jan De Volder geht in seiner Dokumentation „Martyrium eines Priesters – Leben und Sterben von Jacques Hamel“ den dramatischen Ereignissen in der Pfarrkirche Saint Étienne du Rouvray nach und zeichnet anhand von Augenzeugenberichten und Interviews mit Zeitzeugen ein unaufdringliches Porträt „eines bodenständigen Pfarrers, der geduldig und treu seinen Acker bestellte“.

Jacques Hamel erscheint in dem Buch als eine Art Protomartyrer: Als erster Geistlicher verlor er im 21. Jahrhundert auf europäischem Boden sein Leben um des Glaubens willen durch die Hand von Dschihadisten. In Frankreich ist Pfarrer Hamel inzwischen eine Kultfigur – und zwar nicht nur für gläubige Katholiken. Die wachsende Sensibilität für das Risiko, das es bedeutet, Christ zu sein, führte in Rom zahlreiche Gläubige in die Basilika San Bartolomeo auf der Tiberinsel. Dort hatte die Gemeinschaft Sant'Egidio das abgenutzte Brevier des ermordeten französchen Geistlichen ausgestellt. Warum überzeugt der stille Priester, der nie in der kirchlichen Hierarchie Karriere machte, sondern sein Leben in Vorstadtpfarreien verbrachte? Hamel habe kein banales, sondern ein demütiges Leben geführt, argumentiert der Autor. Volksnah und ohne persönliche Ambitionen war der Geistliche für die Menschen da und verkörperte Beständigkeit: „Es ist ein Leben in Treue zur Kirche. (...). Er feiert die Eucharistie mit Würde. (...) Die Eucharistie erlaubt ihm wirklich, ein außergewöhnliches Leben zu führen inmitten des Alltagstrotts. Die Sakramente sind der Mittelpunkt seiner Seelsorge, sie erlauben ihm, vielen Leuten zu begegnen“, charakterisiert De Volder Pfarrer Hamel.

Hamel teilte die Biografie vieler französischer Katholiken – vom Schicksal Scheidungskind über den Algerienkrieg und den Erfahrungen, sich in einem Arbeiterviertel inmitten des Wandels nach dem Konzil als Christ bewähren zu müssen, bis zum tiefen Eindruck, den Johannes Paul II. bei ihm hinterließ. Dass aus seinem Weihejahrgang niemand das Priesteramt aufgab oder Domherr wurde, spricht Bände über das geistliche Klima, in dem Persönlichkeit und Amtsverständnis Hamels reifte. Auch als 85-Jähriger wollte er der Kirche dienen. Der Überfall auf die Kirche mit dem berühmt gewordenen Satz des Pfarrers „Weiche Satan“ vor der Enthauptung erregte weltweite Bestürzung. De Volders Darstellung der Szene zeigt auch die lichten Momente jenes düsteren Tages: Das Lebensopfer Pfarrer Hamels machte den anwesenden Gläubigen vor dem Eintreffen der Polizei Mut, dem Tod gefasst ins Auge zu sehen.

Auch wenn die Betroffenheitsbekundungen kirchlicher und staatlicher Würdenträger nach dem Drama teilweise einen schalen Beigeschmack hinterlassen – das Bändchen dokumentiert mehrere Predigten und Ansprachen –, hat der stille Geistliche dennoch das öffentliche Zerrbild seines Standes zurechtgerückt. Sieht man einmal von den Bankern ab, so ist keine Berufsgruppe in den vergangenen Jahren so pauschal in die Kritik geraten wie katholische Priester. Im Dunstkreis des Skandals um sexuellen Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen verdunkelte sich das Gesamtbild. Mediale Hinrichtungen wurden achselzuckend toleriert. Bei aller Tragik wirkte Hamels Tod wie ein Befreiungsschlag. Den Bann der medialen Dämonisierung katholischer Geistlicher hat der stille Pfarrer gebrochen.

Jan De Volder: Martyrium eines Priesters. Leben und Sterben von Jacques Hamel. Echter Verlag, Würzburg, 2017,

120 Seiten, ISBN 978-3-429-04368-1,

EUR 12,90

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Regina Einig