Einsichten kommen manchmal aus unerwarteten Richtungen. Oft sind es die Außenseiter, die Verrückten, die Clochards, die große Wahrheiten aussprechen. Michel Houellebecq ist so ein Außenseiter. Auch äußerlich. Diogeneshaft gibt er sich betont nachlässig, gerne auch verwahrlost. Wer ihn einmal bei einer Lesung erlebt hat, wird bezeugen: Jede Faser seiner Erscheinung, jede Geste, die Mimik, alles schreit „Ihr kotzt mich an mit Eurer Gepflegtheit, mit Eurer sauberen Konsumwelt, Eurem Gesundheitskult, Eurem Joggen, Eurem veganen Müsli“. Für Houellebecq, um es gleich vorwegzunehmen, ist unsere Welt eine moralische Kloake, die wirtschaftlich schnurrt, aber seelisch entkernt ist, in der Sex und Konsum alles und Gott vergessen ist.
Prozess der Respiritualisierung
Michel Houellebecqs Roman „Unterwerfung“ ist nicht nur ein literarischer Meilenstein des frühen 21. Jahrhunderts, das Buch diagnostiziert die Rückkehr der Religion und das Ende des Atheismus in Europa. Der französische Schriftsteller ahnt, dass gerade im Katholizismus noch viel Kraft steckt. Von Alexander von Schönburg